Auslandssemester im Jurastudium – Lohnt sich das?

Aus Angst, das ohnehin schon lange Jurastudium noch weiter in die Länge zu ziehen, oder Lücken im Wissen zu deutschem Recht entstehen zu lassen, entscheiden sich viele Jurastudierende gegen ein Auslandssemester.

Das ist ein fataler Fehler, findet unsere Autorin Carla. In diesem Beitrag – oder eher: Plädoyer – nennt sie 5 Gründe, die auch dich überzeugen, ein Auslandssemester zu machen.

Für mich stand schon zu Beginn meines Studiums fest, dass ich für längere Zeit ins Ausland gehen möchte. Es klang nach Abenteuer, Perspektivwechsel und einer einmaligen Gelegenheit. Also studierte ich ein Semester an der Universität Lund, in Schweden.

Umso überraschter war ich, als immer mehr KommilitonInnen mir erzählten, dass sie sich aus verschiedensten Gründen gegen das Auslandsstudium entschieden. Diese Mythen will ich in diesem Beitrag entkräften.

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1. Das Studium ist schon lang genug

Der wohl häufigst genannte Grund, dass Jurastudierende in Deutschland sich gegen ein Auslandssemester entscheiden, ist, dass das Studium unglaublich lang ist. Anders, als unsere europäischen Nachbarn ist ein deutschen Jurastudium nicht im Bologna-System (also ohne Bacherlor oder Master)organisiert. Daher lassen sich die Fächer, die wir im Ausland belegen, nicht auf unsere Studienzeit anrechnen. Das Auslandssemester ist quasi eine freiwillige Verlängerung der Regelstudienzeit – warum solltest sich das jemand antun?

Für mich liegt der Grund dafür auf der Hand: Wann hast du noch einmal in deinem Leben die Gelegenheit, ohne Notendruck zu studieren? Wann kannst du noch einmal ganz entspannt etwas juristisches Lernen und dabei noch eine andere Kultur entdecken?

Meine Zeit in Schweden fühlte sich nicht wie eine Verlängerung meiner Studienzeit an, sondern wie eine Pause vom stressigen Studienalltag in Deutschland. Nach meiner unglaublich schönen Zeit dort, konnte ich mich voller Energie in die zweite Hälfte meines Studiums begeben. Diese Auszeit hat meines Erachtens nach vielen KommilitonInnen gerade in der Examensvorbereitung gefehlt.

2. Kein deutsches Recht lernen – Zeitverschwendung?

Auf den ersten Blick stimmt das. Im Ausland besuchst du in der Regel keine klassischen Vorlesungen zum deutschen Recht. Das heißt allerdings nicht, dass du nicht mit deutschem Recht in Berührung kommst. Ich schrieb beispielsweise in Lund einen rechtsvergleichenden Aufsatz über die Unterschiede von Mord und Totschlag im Englischen und im Deutschen und lernte so das deutsche Recht noch einmal aus einer anderen Perspektive kennen. Nicht selten führte ich außerdem mit Studierenden aus den verschiedensten Ländern angeregte Diskussionen über verschiedene Rechtsfragen, ganz nach dem Motto “Wie ist das denn bei euch?”

3. Wie soll ich mir das leisten?

Natürlich sind die Kosten eines Auslandssemesters nicht kleinzureden. Es gibt allerdings gute Möglichkeiten, diese auszugleichen. Wer ein Auslandssemester im europäischen Ausland macht, kann mithilfe der Erasmus+ Förderung der EU bis zu 600 Euro im Monat erhalten- diese müssen bei erfolgreichem Abschluss des Semesters nicht zurückgezahlt werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, Auslandsbefög zu beantragen, das häufig auch Studierenden, die in Deutschland kein Bafög erhalten, zusteht. Nicht zuletzt gibt es die Möglichkeit, die eigene Wohnung unterzuvermieten, um Mietkosten zu sparen. Abgesehen von den Reisen und Unternehmungen, die ich während meines Auslandssemesters unternommen habe, habe ich in Schweden nicht wesentlich mehr Geld ausgegeben während eines Semesters in Deutschland. 

4. Zu Hause ist es am schönsten

Es kann schon ein wenig beängstigend sein, das gewohnte Umfeld zu verlassen und in ein fremdes Land zu ziehen. Kleinere Ängste und Sorgen kennen wohl die meisten Auslandsstudierenden. Was, wenn ich keine Freunde finde? Was, wenn die Kurse auf Englisch zu schwer sind? Was, wenn die Unterkunft nicht so schön ist, wie auf den Bildern? Ich plädiere ganz stark dafür, diese Zweifel beiseite zu schieben und sich dennoch auf die Reise zu machen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es wohl nirgendwo so leicht ist, wie unter Internationals neue Freunde zu finden und es enorm das Selbstvertrauen stärkt, wenn du im Ausland kleinere Probleme löst. 

5. Ungeahnte Vorteile

Zu guter Letzt hat ein Auslandsaufenthalt noch tolle Begleiterscheinungen. Zum einen wird dein leicht eingerostetes Schulenglisch (oder die Sprache, auf der du studierst) sich immens verbessern. Die altbekannte Hemmschwelle, bei der du dich nicht traust, auf Englisch zu reden, verschwindet nach kurzer Zeit wie von alleine. Natürlich lernst du auch Vokabeln aus dem “Legal English”, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt sicher von Nutzen sein können.

Häufig bekommst du auch die Gelegenheit, einen kostenlosen Sprachkurs der Landessprache zu besuchen – besser als von Muttersprachlern im eigenen Land, kann man eine Sprache wohl nicht lernen.

Auch wenn es abgedroschen klingt, auf dem guten alten Lebenslauf sticht ein Auslandssemester immer positiv hervor. Welcher Arbeitgeber möchte nicht eine/n weltoffene/n JuristIn mit guten Fremdsprachenkenntnissen und Lebenserfahrung einstellen?

Der wohl wichtigste Punkt: Du hast die Möglichkeit, Freunde fürs Leben zu finden. Ich habe beispielsweise nach den schriftlichen Prüfungen meines Staatsexamens meine Koffer gepackt und habe meine Erasmus-Freunde in Barcelona und Bologna besucht. Eine bessere Erholung hätte ich mir nicht vorstellen können.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig meiner Begeisterung für das Auslandssemester teilen. Wir haben als EU-BürgerInnen das wahnsinnige Privileg der Erasmus+ Förderung und ich bin der Meinung, dass jede/r, der es kann, davon Gebrauch machen sollte.

Wenn dir der Beitrag gefallen hat, teile ihn gerne mit deinen KomilitonInnen. Auf Instagram @goldwaage.jura findest du zudem ein Story-Highlight mit Bildern aus meinem Erasmussemester.

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