Auf eure Empfehlung hin haben wir diesen Monat „Die Akte“ von John Grisham gelesen – bzw. als Hörbuch gehört.
Das Buch spielt in den 90er Jahren in den USA. Zwei Richter des Supreme Courts werden ermordet und eine Jurastudentin deckt, fast schon zufällig, eine große Verschwörung auf. Nach ihrer Entdeckung schwebt sie in Lebensgefahr und taucht unter. Im Verlauf des Buches verfolgt man jedoch nicht nur sie, sondern auch den US-Präsidenten und das FBI bei ihren Ermittlungen.
Grisham schafft es, eine großartige Spannung über das gesamte Buch aufrecht zu erhalten, ohne jedoch unnötig brutal oder blutrünstig zu werden. Auch hält er einige Plottwists und einen Funken Romantik für die Lesenden bereit.
Der Autor ist selbst viele Jahre als Strafverteidiger tätig gewesen und gibt in „Die Akte“ kleine Einblicke in das US-Amerikanische Justizsystem und das Rechtsstudium.
Das Buch ist absolut empfehlenswert für alle, die Lust auf einen Thriller mit Jurabezug haben und gleichzeitig ein wenig in das US-Rechtssystem eintauchen wollen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit stieß ich im Internet auf ein kleines Büchlein. Da ich für den Legal Bookclub immer auf der Suche nach Literatur bin, die irgendwie etwas mit Jura zu tun hat, wurde ich neugierig.
Der Titel des Buches lautete: „Party, Party Prädiktsexamen„, geschrieben von einem „Daniel Jurecks“.
Das klang vielversprechend. Denn während ich bezüglich Partys im Studium schon einiges an Erfahrungen sammeln konnte, steht mir mein erstes Examen ja noch bevor.
Ohne groß zu zögern, drückte ich also auf “Bestellen”.
Und dann wurde ich überrascht. Negativ.
Das hatte mehrere Gründe.
Zum einen, weil ich das Buch in der Erwartung kaufte, ich würde darin Tipps rund ums Studium und einen guten Ausgleich im Studierendenleben finden – und NICHTS dazu fand.
Stattdessen fand ich eine Aneinanderreihung einfältiger Partyanekdoten. (Diese laufen nebenbei immer gleich ab: Der Autor kommt auf die Party und erfreut sich dort an Drogen oder Frauen, oder beleidigt dort auf Drogen Frauen). Das Prädikatsexamen wird auf den letzten Seiten mal kurz erwähnt.
Damit hätte ich noch leben können.
Der Hauptgrund für meine Ablehnung war ein anderer: der Autor vertritt in seinem Buch Ansichten, die einfach nicht mehr in dieses Jahrhundert passen. Was ich anfangs noch für einen Ausrutscher hielt, wurde mit jeder Seite schlimmer.
Falls ihr mir nicht glaubt, hier ein paar Auszüge:
“Ich gesellte mich daher zu dem weiblichen Partyrest auf ein Sofa. Ohne jeglichen Hintergedanken, denn sie sahen auch aus wie Reste.” -S, 43
“Potenzielle Gespielinnen waren zumindest schon zu erblicken. Keine Erstklassigen, aber wenigstens keine Dicken.” S. 46
“Nach zwei Vodka-O gewöhnte ich mich an den etwas unterschiedlichen Körperbau einer Chinesin. Das ist jetzt nicht böse gemeint. Es gibt halt Unterschiede. Asiatinnen sind zumeist flacher,…” S, -79
Es geht noch weiter. Ich erspare euch die Ausführungen darüber, “wie hart im Nehmen Asiatinnen” seien, wie wenig ausländerfeindlich der Autor ist, sich aber dennoch auf einer Party in New York umgeben von Schwarzen unwohl fühlt und so weiter. Ihr könnt es euch denken.
Rückblickend hätte ich schon stutzig werden sollen, als der Autor auf Seite eins das Gendern als “Sprachvergewaltigung” bezeichnete.
Das Buch bietet keinerlei Anleitung für ein erfolgreiches Studium, verblüfft aber durch immer neue Kreationen diskriminierender Anekdoten. Das ist wohl auch eine Leistung.
Für den Fall, dass der Autor das hier zu lesen bekommen sollte, habe ich noch eine persönliche Nachricht an Sie.
Es mag ein Zufall sein, dass dieses Buch in die Hände einer weiblichen Jurastudentin fiel (die ausgerechnet nicht nur studiert, um einen reichen Anwalt als Partner zu finden- nach ihren Angaben sind wir ja rar gesäht) und einer anderen weiblichen Jurastudentin, die auch noch Asiatin ist.
Ihr Buch verletzt uns nicht persönlich. Obwohl es das vielleicht sollte. Ihr Buch ist stattdessen eine perfekte Dokumentation dafür, welches Gedankengut bis heute auch in den Köpfen fertig ausgebildeter Juristen schlummert.
Es ist genau das schriftliche Zeugnis, das wir Studentinnen brauchen, um zu sagen: Seht ihr, wir haben uns das alles nicht eingebildet. Wir werden wirklich so behandelt.
Für Sie, “Herr Jurecks”, ist das alles vielleicht ein großer Spaß. An einer Stelle im Buch beschweren Sie sich sogar über die Humorlosigkeit ihrer Ex-Freundin, die über ihre diskriminierenden Witze nicht lachen kann.
Ich will Ihnen an dieser Stelle mal verraten, warum.
Auch heute, zehn Jahre nach Erscheinen Ihres Meisterwerkes, sind 44 von 50 der Partner in Großkanzleien männlich. Rund 93 der Professuren in Deutschland werden von Männern gehalten.
Noch heute kriegen Studentinnen von Vorgesetzten zu hören, dass Ihre Noten zwar herausragend seien, aber Strafverteidigung nunmal ein Männerjob sei.
Uns Frauen – um Gottes Willen noch mit Migrationshintergrund -, werden über das gesamte Studium verteilt genau durch solches Gedankengut unnötig viele Steine in den Weg gelegt.
Steine, die Sie wahrscheinlich nie wahrgenommen, oder wenn, dann lustig gefunden haben. „Weiber“ eben.
Und dafür möchte ich Ihnen danken.
Danke, dass sie auch 2011 nicht müde waren, ein Buch voller Rassismus und Frauenhass im Selbstverlag zu veröffentlichen. Danke, dass Sie bis heute dafür sorgen, dass es sich im Sortiment wichtiger großer Buchläden befindet.
Denn so können wir als Juristinnen in einigen Jahren noch erzählen: Guck mal, wir haben es trotzdem geschafft.
Ein Ratgeber von Florian Specht, Alexader Bleckat und Madia Jacobs
Auf der Suche nach einem kurzen und übersichtlichen Studienratgeber ist mir “Jura geht auch anders” in die Hände gefallen. Ein Glücksgriff.
Der Ratgeber schlüsselt auf seinen 150 Seiten das Studium vom ersten Semester bis zum Staatsexamen sehr strukturiert auf. Dabei ermutigen die AutorInnen den Lesenden, neben dem Studium das Privatleben nicht außen vor zu lassen, an juristischen Nebenaktivitäten teilzunehmen und ein ehrliches Interesse am Studium zu gewinnen.
Daneben beinhaltet das Buch Tabellen, die je nach Bundesland bestimmte Prüfungsanforderungen aufschlüsseln, Anleitungen für Remonstrationen, Klausurentipps, alternative Karrierevorschläge und Interviews mit bekannten JuristInnen.
“Jura geht auch anders” ist in einem sehr verständlichen Stil gehalten. Horrorszenarien und schreckliche Schilderungen von Lernstress und Examensvorbereitung sucht man indes vergebens. Stattdessen findet man hilfreiche Tricks, Strategien und darüber hinaus Inspiration für einen spannenden Studienverlauf und mögliche Karrierewege.
Das Buch überzeugt insbesondere durch die Glaubwürdigkeit seiner AutorInnen. Alexander Bleckat ist Richter, Florian Specht Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Uni Hannover und Madia Jacobs ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und hat außerdem einen L.L.M.
“Wir können dir wirklich nur empfehlen, nicht durchgängig Jura zu betreiben, sondern deinem Gehirn auch die nötigen Pausen zu geben, damit Platz für neuen Input geschaffen werden kann.”
Jura Geht auch Anders!
Ich persönlich würde das Buch jedem Studienanfänger (und jeder Person, die überlegt, das Studium aufzunehmen) und einen kurzen und realistischen Einblick ins Jurastudium sucht, wärmstens empfehlen.
Ein autobiografisches Sachbuch von Jörg und Miriam Kachelmann
In diesem Monat gibt es zum ersten Mal in der Geschichte des Legal Bookclubs eine Gastrezension. Unser Kommilitone Erik Meiners hat für euch das Buch des Ehepaars Kachelmann gelesen und wir freuen uns sehr, seinen Beitrag mit euch teilen zu dürfen.
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Zum Inhalt
Nur wenige Gerichtsverfahren haben in den letzten Jahren eine solche mediale Aufmerksamkeit erfahren wie jenes um den Wettermoderator Jörg Kachelmann. 2010 wurde er unter dem Verdacht, er habe seine Expartnerin vergewaltigt, festgenommen und angeklagt. Kachelmann wurde freigesprochen, hat aber noch heute unter den Folgen der damaligen Berichterstattung zu leiden. Seine Frau und er schildern in diesem Buch ihre Erlebnisse und stellen dem Rechtsstaat ein vernichtendes Zeugnis aus.
Chronologisch verfolgt das Buch die Ereignisse in sieben Teilen ab dem Tag der Verhaftung bis zum Freispruch und noch darüber hinaus. Es ist mit vielen Abbildungen von Originaldokumenten versehen; aus wieder anderen Dokumenten wird ausführlich zitiert. Von insgesamt zweiundvierzig Kapiteln hat Miriam Kachelmann lediglich fünf verfasst.
Zur Kritik
Den Autoren geht es nicht darum, Zeugnis abzulegen, um dem Leser ein objektives Urteil über das Vorgehen der Behörden zu ermöglichen. Vielmehr dient das Buch offenbar beiden dazu, sich Luft zu machen.
Zwischen den Zeilen stehen all der Zorn und die Wut, die sich in den Monaten der Untersuchungshaft und des Prozesses angestaut haben, mehr aber leider nicht. Das Buch wirkt wie eine bloße Aneinanderreihung von Erlebnissen, denen lediglich gemein ist, dass sie den Leser mit dem unbehaglichen Gefühl zurücklassen, irgendetwas müsse hier falsch gelaufen sein. Kachelmann gelingt es nicht, das Zusammenspiel der Einzelfaktoren des systemischen Unrechts darzustellen.
Das liegt zum einen an seiner fehlenden Expertise und zum anderen an seinem subjektiven Standpunkt. Beides kann Kachelmann nicht vorgehalten werden. Es hindert jedoch daran, dem Buch eine abstrakte Essenz zu entnehmen. So empfindet Kachelmann etwa seine Inhaftierung, überhaupt seine Festnahme, als Ungerechtigkeit und bemängelt in der U-Haft die fehlenden Anstrengungen zur Resozialisierung der Gefangenen. Dabei vergisst er, dass die Untersuchungshaft keine Strafe ist, sondern dazu dient, die Flucht- oder Verdunkelungsgefahr zu minimieren und daher zu diesem Zeitpunkt aus objektiver Sicht geboten war. Zur Resozialisierung ist die U-Haft nicht verpflichtet – schließlich handelt es sich hierbei nicht um Schuldige, sondern um Verdächtige unter dem Schutz der Unschuldsvermutung, die sich also nie außerhalb der Gesellschaft befanden. Ungerechtigkeit mag hingegen etwa in der unverhältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft und in den Haftbedingungen liegen. Die Darstellung lässt an solchen Stellen die Differenzierungen vermissen, deren Abwesenheit andererseits bei der Berichterstattung selbst bemängelt wird. Es fällt daher schwer, sie tatsächlich ernst zu nehmen.
Erst der allerletzte Teil des Buches lässt aufatmen. Miriam Kachelmann beschreibt, „was sich ändern muss“ und übt erfrischende Kritik. Sie zeigt, dass das Bild, das die StPO von der Richterpersönlichkeit zeichnet, unzutreffend ist, dass das Jurastudium nicht ausreichend auf die Tätigkeit als RichterIn vorbereitet und dass die Rechtspraxis nur diesem Idealbild entsprechen kann, wenn sie sich sehr anstrengt.
„Richter sind leider nicht so übermenschlich, wie unsere Strafprozessordnung es sich wünscht.“
S. 292
Es ist der Teil des Buches, der nicht nur hätte nachgeschoben werden sollen, sondern über den gesamten Text verteilt das Fundament hätte darstellen müssen.
Kachelmann will an seinem Beispiel eine Analyse des Rechtsstaates und dessen Problemen liefern. Leider verfängt er sich auf dem Weg dorthin in Kleinigkeiten und zwingt den Leser, seine stetigen Beschwerden und Selbstbemitleidungen zu ertragen. Dies tut dem Buch einen gewaltigen Abbruch. Kachelmann schafft es nicht, über das große Ganze zu sprechen, weil es ihm wichtiger ist, über sich selbst zu reden. Das Buch zeigt daher nur noch die Scherben, die eine Falschbeschuldigung, Mediendruck und die darunter einknickende Justiz zurücklassen.
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Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei Erik für seine kritische und authentische Rezension und werden nach Möglichkeit auch in Zukunft diverse Gastrezensionen veröffentlichen.
Ein Sachbuch von Burkhard Benecken und Hans Reinhardt*
(Werbung wegen Nennung des Buches)
Im November stellen wir euch diesmal „Inside Strafverteidigung“ vor, welches erst im Herbst dieses Jahres erschienen ist. Das Sachbuch handelt vom Berufsbild und -alltag aus Sicht eines Strafverteidigers. Herr Benecken und Herr Reinhard räumen mit Vorurteilen zu ihrem Berufsstand auf und zeigen auf 320 Seiten, wie sehr sie für ihren Beruf brennen.
„Strafverteidigung ist eine der wichtigsten Säulen des Rechtsstaates und nebenbei eine unglaublich spannende Welt, die es verdient, differenziert betrachtet zu werden.“
Anhand aufregender, deutschlandweit berühmter Fälle erläutern die Autoren die unterschiedlichen Strategien in der Strafverteidigung und gewähren den Lesenden einen Blick hinter die Kulissen der Justiz. Außerdem werden im Rahmen dieser Fälle die juristischen Besonderheiten und Einzelheiten erläutert, welche für NichtjuristInnen oder StudienanfängerInnen separat erklärt werden. Damit ist das Buch nicht nur eine wunderbare Lektüre für JuristInnen, die sich mit Strafverteidigung auseinander setzen wollen, sondern auch für Laien, welche noch keine Vorkenntnisse auf diesem Bereich aufweisen.
Ein Highlight des Buches stellt für mich das Kapitel 7 dar: „Eine Woche im Leben eines Strafverteidigers“, in dem man erkennt, wie arbeitsintensiv und abwechslungsreich die Strafverteidigung sich darstellt. Ein weiteres lesenswertes Kapitel ist das elfte, in dem ein brisanter Fall mit einer sehr bekannten Frau beleuchtet wird und anhand dessen aufgezeigt wird, wie schwierig die Verteidigung von Prominenten sich bei erhöhter Medienaufmerksamkeit darstellen kann.
Ich persönlich war sehr begeistert von diesem Buch und habe es förmlich verschlungen. Dadurch, dass es durch die immer anders gelagerten Fälle so kurzweilig ist, würde man am liebsten gar nicht mehr aufhören, zu lesen. Mit großer Spannung erwarte ich daher weitere Bücher von Herrn Benecken und Herrn Reinhardt und wünsche euch bis dahin viel Spaß beim Lesen.
Habt ihr das Buch bereits gelesen? Dann schreibt uns gerne einen Kommentar auf Instagram dazu auf @goldwaage.jura.
*Dieses Buch wurde uns vom Verlag Benevento Publishing kostenlos zur Verfügung gestellt; die Rezension beruht selbstverständlich auf unserer Eigenwahrnehmung ohne den Einfluss des Verlages.
Für den Oktober habe ich „Corpus Delicti – Ein Prozess“ von der Bestsellerautorin Juli Zeh gelesen. Der Roman handelt von Mia, die in einer Gesellschaft in der Zukunft lebt, deren oberstes Gut die Gesundheit aller BürgerInnen ist.
Mias Bruder ist Opfer der Hygiene-Ideologie geworden. Im Laufe des Buches gerät Mia ins Visier der Strafverfolgungsbehörden und ist Teil nicht nur eines Gerichtsprozesses, der gegen sie geführt wird. Sie durchlebt auch einen persönlichen Prozess, in welchem sie die rigorosen Gesundheitsregeln und das staatliche System hinterfragt.
„Logisches Denken liegt Ihnen, genau wie mir. Deshalb werden Sie mühelos Ihren Denkfehler erkennen. Kausalität ist keineswegs identisch mit Schuld. Sonst müssten Sie auch den Urknall für den Tod Ihres Bruders verantwortlich machen.“
-„Vielleicht tue ich das.“
Juli Zeh, Corpus Delicti – Ein Prozess
Beide Themenstränge haben mich zum Nachdenken angeregt. Zum einen, weil Zeh verdeutlicht, wie wenig es in einem Unrechtsregime braucht, um einen vermeintlich fairen Gerichtsprozess in eine Hexenjagd zu verwandeln.
Zum anderen, weil ich mir im Verlaufe des Buches die Frage gestellt habe, wie weit ein Recht auf Gesundheit auch ein Recht auf Krankheit umfasst und wie viel Entscheidungsgewalt dem Staat in dieser Frage eingeräumt werden darf.
Insgesamt ist das Buch trotz der komplexen Thematik sehr verständlich, wahnsinnig packend und obwohl es vor über zehn Jahren erstveröffentlicht wurde, in seiner Thematik nach wie vor aktuell.
Ein theoretisches Konzept für Menschenrechte entwickeln – das ist das Ziel, das der Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen in seinem Aufsatz anstrebt.
Sen sieht Menschenrechte als moralische Forderungen nach bestimmten, grundsätzlichen Freiheiten. Seinen Ansatz begründet Sen auch durch Bezugnahme auf andere Philosophen wie Adam Smith, John Rawls, Karl Marx und vielen andere.
„Eine Theorie der Menschenrechte lässt sich vernünftigerweise nicht auf das juristische Modell beschränken, in das es oft gepresst wird“
Amartya Sen
Sens Text ist dank seiner wissenschaftlichen Tiefe keine leichte Lektüre – aber dennoch sehr lesenswert. Der Autor regt zu einem rationalen bzw. „vernünftigen öffentlichen“ Diskurs an. Er ermutigt die Lesenden, möglichst objektiv über Menschenrechte nachzudenken und angesichts der globalen Herausforderungen weder zu resignieren, noch sich für alles verantwortlich zu fühlen.
Für seine Forschung wurde Sen 1998 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.
Im August stellen wir euch Kafkas „Der Prozess“ für den Legal Bookclub vor.
Der Bankangestellte Josef K. wird eines Morgens von Wächtern in seinem Haus geweckt, die ihm verkünden, dass er von nun an verhaftet sei und ein Strafprozess gegen ihn laufen würde. K. versucht daraufhin angestrengt, herauszufinden, auf welcher Grundlage er verhaftet wurde und wie er einer Verurteilung entkommen kann. Trotz seiner Verhaftung bleibt K. auf freiem Fuß und erlebt allerlei sonderbare Momente auf dem Weg zur Wahrheitsfindung.
Dieser Roman ist anders als die bisher von uns vorgestellten, da er sich gewissermaßen in einer Parallelwelt abspielt, die LeserInnen sowohl verwirrt als auch nachdenklich stimmt.
Oft bleibt das Gefühl zurück, dass Kafka mehr Fragen aufwirft, als er beantworten kann. Sein Roman lebt von dem Unausgesprochenen und dem Mysterium, das Kafka hinterlässt.
Faszinierend fand ich die sprachliche und kulturelle Reise in die Vergangenheit, auf die man sich beim Lesen dieses mehr als einhundert Jahre alten Buches begibt. „Der Prozess“ lebt von der Interpretation jeder lesenden Person – ob man das Werk als Gesellschaftskritik oder als ein sehr persönlich, fast schon autobiografisch angelehntes Werk Kafkas verstehen möchte.
„Das Gericht will nichts von dir. Es nimmt dich auf, wenn du kommst, und es entlässt dich, wenn du gehst.“
Ein Kriminalroman von Friedrich Dürrenmatt [Unbezahlte Werbung]
Die Geschichte spielt, anders als der Titel vermuten lässt, nicht in einem Gerichtssaal, sondern rund um ein Polizeirevier in Bern in der Schweiz.
Als dort ein junger Polizist tot aufgefunden wird, macht sich der Kriminalkommissar Bärlach auf die Suche nach dem Täter, zusammen mit seinem Kollegen Tschanz.
Die Geschichte nimmt eine unvorhergesehene Wendung, als die beiden auf einen Geschäftsmann namens Gastmann stoßen, denn viele Spuren deuten auf ihn als Täter hin. Doch nichts ist so eindeutig in “Der Richter und sein Henker”, wie es auf den ersten Blick scheint und die Trennlinie zwischen Tätern und Opfern wird immer unschärfer.
Dürrenmatt behandelt in dieser kurzen Geschichte mit seinem prägnanten und manchmal fast minimalistischen Stil verschiedenste Themen. Neben der Jagd nach Verbrechern geht es um alte Rivalitäten, Krankheit und Selbstjustiz.
„Dann waren Sie der Richter, und ich der Henker“, keuchte der andere.
„Es ist so“, sagte der Alte.
„Und ich, der ich nur Ihren Willen ausführte, ob ich wollte oder nicht, bin nun ein Verbrecher, ein Mensch, den man jagen wird!“
Friedrich Dürrenmatt in „Der Richter und sein Henker“
Ich persönlich habe mich etwas von dem Titel des Buchs leiten lassen und mit einer weitaus Jura-lastigeren Geschichte gerechnet. Dennoch hat mich die kurze Erzählung zum Nachdenken gebracht: Geht es bei Bestrafungen von Verbrechern um den Schutz der Bevölkerung, oder vielmehr um das eigene, sehr subjektive Gefühl von Gerechtigkeit?!
Ein Buch von Ferdinand von Schirach [unbezahlte Werbung]
Für den Monat Juni habe ich mich dafür entschieden, das erst im April 2021 erschienene Büchlein „Jeder Mensch“ von Ferdinand von Schirach zu lesen.
Es beginnt zunächst mit einer historischen Einführung in die Menschenrechte und erläutert deren Ursprünge anhand der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und wichtiger Protagonisten dieser Zeit wie z.B. Thomas Jefferson, Benjamin Franklin und Marie-Joseph Motier, Marquis de Lafayette.
Nach der geschichtlichen Einordnung folgen die sechs Artikel: Sechs Grundrechte, um die von Schirach die Charta der Grundrechte der Europäischen Union erweitern möchte.
[Sechs neue] Grundrechte, die einfach sind, naiv und Ihnen utopisch erscheinen mögen. Aber genau darin könnte ihre Kraft liegen.
Ferdinand von Schirach
Der Autor ist der Meinung, dass unser Grundgesetz den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft nicht gerecht wird und somit einiger Ergänzungen bedarf. Regelungen zu Bereichen wie Globalisierung oder Künstliche Intelligenz seien nicht hinreichend bestimmt vom Grundgesetz abgedeckt, obwohl sie doch so wichtig für unsere sich ständig weiterentwickelnde Gesellschaft sind.
Von Schirach bietet auch Nicht-JuristInnen eine ganz neue – juristische -Perspektive auf die Fragen, die wir uns bereits seit Jahren stellen und auf deren Antworten wir gespannt warten. Wie wird in Zukunft mit unserer digitalen Selbstbestimmung verfahren? Wie weit darf Künstliche Intelligenz gehen? Wie lange kann die zur Ermöglichung westlichen Luxus‘ erfolgende Ausbeutung von Menschen und unserer Umwelt noch erfolgen?
Am Ende des Buches befindet sich ein QR-Code, über den man für diesen neuen Entwurf von Grundrechten in Form einer Petition unterschreiben kann. Ich habe es bereits getan.