Ein Ratgeber von Florian Specht, Alexader Bleckat und Madia Jacobs
Auf der Suche nach einem kurzen und übersichtlichen Studienratgeber ist mir “Jura geht auch anders” in die Hände gefallen. Ein Glücksgriff.
Der Ratgeber schlüsselt auf seinen 150 Seiten das Studium vom ersten Semester bis zum Staatsexamen sehr strukturiert auf. Dabei ermutigen die AutorInnen den Lesenden, neben dem Studium das Privatleben nicht außen vor zu lassen, an juristischen Nebenaktivitäten teilzunehmen und ein ehrliches Interesse am Studium zu gewinnen.
Daneben beinhaltet das Buch Tabellen, die je nach Bundesland bestimmte Prüfungsanforderungen aufschlüsseln, Anleitungen für Remonstrationen, Klausurentipps, alternative Karrierevorschläge und Interviews mit bekannten JuristInnen.
“Jura geht auch anders” ist in einem sehr verständlichen Stil gehalten. Horrorszenarien und schreckliche Schilderungen von Lernstress und Examensvorbereitung sucht man indes vergebens. Stattdessen findet man hilfreiche Tricks, Strategien und darüber hinaus Inspiration für einen spannenden Studienverlauf und mögliche Karrierewege.
Das Buch überzeugt insbesondere durch die Glaubwürdigkeit seiner AutorInnen. Alexander Bleckat ist Richter, Florian Specht Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Uni Hannover und Madia Jacobs ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und hat außerdem einen L.L.M.
“Wir können dir wirklich nur empfehlen, nicht durchgängig Jura zu betreiben, sondern deinem Gehirn auch die nötigen Pausen zu geben, damit Platz für neuen Input geschaffen werden kann.”
Jura Geht auch Anders!
Ich persönlich würde das Buch jedem Studienanfänger (und jeder Person, die überlegt, das Studium aufzunehmen) und einen kurzen und realistischen Einblick ins Jurastudium sucht, wärmstens empfehlen.
Ein autobiografisches Sachbuch von Jörg und Miriam Kachelmann
In diesem Monat gibt es zum ersten Mal in der Geschichte des Legal Bookclubs eine Gastrezension. Unser Kommilitone Erik Meiners hat für euch das Buch des Ehepaars Kachelmann gelesen und wir freuen uns sehr, seinen Beitrag mit euch teilen zu dürfen.
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Zum Inhalt
Nur wenige Gerichtsverfahren haben in den letzten Jahren eine solche mediale Aufmerksamkeit erfahren wie jenes um den Wettermoderator Jörg Kachelmann. 2010 wurde er unter dem Verdacht, er habe seine Expartnerin vergewaltigt, festgenommen und angeklagt. Kachelmann wurde freigesprochen, hat aber noch heute unter den Folgen der damaligen Berichterstattung zu leiden. Seine Frau und er schildern in diesem Buch ihre Erlebnisse und stellen dem Rechtsstaat ein vernichtendes Zeugnis aus.
Chronologisch verfolgt das Buch die Ereignisse in sieben Teilen ab dem Tag der Verhaftung bis zum Freispruch und noch darüber hinaus. Es ist mit vielen Abbildungen von Originaldokumenten versehen; aus wieder anderen Dokumenten wird ausführlich zitiert. Von insgesamt zweiundvierzig Kapiteln hat Miriam Kachelmann lediglich fünf verfasst.
Zur Kritik
Den Autoren geht es nicht darum, Zeugnis abzulegen, um dem Leser ein objektives Urteil über das Vorgehen der Behörden zu ermöglichen. Vielmehr dient das Buch offenbar beiden dazu, sich Luft zu machen.
Zwischen den Zeilen stehen all der Zorn und die Wut, die sich in den Monaten der Untersuchungshaft und des Prozesses angestaut haben, mehr aber leider nicht. Das Buch wirkt wie eine bloße Aneinanderreihung von Erlebnissen, denen lediglich gemein ist, dass sie den Leser mit dem unbehaglichen Gefühl zurücklassen, irgendetwas müsse hier falsch gelaufen sein. Kachelmann gelingt es nicht, das Zusammenspiel der Einzelfaktoren des systemischen Unrechts darzustellen.
Das liegt zum einen an seiner fehlenden Expertise und zum anderen an seinem subjektiven Standpunkt. Beides kann Kachelmann nicht vorgehalten werden. Es hindert jedoch daran, dem Buch eine abstrakte Essenz zu entnehmen. So empfindet Kachelmann etwa seine Inhaftierung, überhaupt seine Festnahme, als Ungerechtigkeit und bemängelt in der U-Haft die fehlenden Anstrengungen zur Resozialisierung der Gefangenen. Dabei vergisst er, dass die Untersuchungshaft keine Strafe ist, sondern dazu dient, die Flucht- oder Verdunkelungsgefahr zu minimieren und daher zu diesem Zeitpunkt aus objektiver Sicht geboten war. Zur Resozialisierung ist die U-Haft nicht verpflichtet – schließlich handelt es sich hierbei nicht um Schuldige, sondern um Verdächtige unter dem Schutz der Unschuldsvermutung, die sich also nie außerhalb der Gesellschaft befanden. Ungerechtigkeit mag hingegen etwa in der unverhältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft und in den Haftbedingungen liegen. Die Darstellung lässt an solchen Stellen die Differenzierungen vermissen, deren Abwesenheit andererseits bei der Berichterstattung selbst bemängelt wird. Es fällt daher schwer, sie tatsächlich ernst zu nehmen.
Erst der allerletzte Teil des Buches lässt aufatmen. Miriam Kachelmann beschreibt, „was sich ändern muss“ und übt erfrischende Kritik. Sie zeigt, dass das Bild, das die StPO von der Richterpersönlichkeit zeichnet, unzutreffend ist, dass das Jurastudium nicht ausreichend auf die Tätigkeit als RichterIn vorbereitet und dass die Rechtspraxis nur diesem Idealbild entsprechen kann, wenn sie sich sehr anstrengt.
„Richter sind leider nicht so übermenschlich, wie unsere Strafprozessordnung es sich wünscht.“
S. 292
Es ist der Teil des Buches, der nicht nur hätte nachgeschoben werden sollen, sondern über den gesamten Text verteilt das Fundament hätte darstellen müssen.
Kachelmann will an seinem Beispiel eine Analyse des Rechtsstaates und dessen Problemen liefern. Leider verfängt er sich auf dem Weg dorthin in Kleinigkeiten und zwingt den Leser, seine stetigen Beschwerden und Selbstbemitleidungen zu ertragen. Dies tut dem Buch einen gewaltigen Abbruch. Kachelmann schafft es nicht, über das große Ganze zu sprechen, weil es ihm wichtiger ist, über sich selbst zu reden. Das Buch zeigt daher nur noch die Scherben, die eine Falschbeschuldigung, Mediendruck und die darunter einknickende Justiz zurücklassen.
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Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei Erik für seine kritische und authentische Rezension und werden nach Möglichkeit auch in Zukunft diverse Gastrezensionen veröffentlichen.
Ein Sachbuch von Burkhard Benecken und Hans Reinhardt*
(Werbung wegen Nennung des Buches)
Im November stellen wir euch diesmal „Inside Strafverteidigung“ vor, welches erst im Herbst dieses Jahres erschienen ist. Das Sachbuch handelt vom Berufsbild und -alltag aus Sicht eines Strafverteidigers. Herr Benecken und Herr Reinhard räumen mit Vorurteilen zu ihrem Berufsstand auf und zeigen auf 320 Seiten, wie sehr sie für ihren Beruf brennen.
„Strafverteidigung ist eine der wichtigsten Säulen des Rechtsstaates und nebenbei eine unglaublich spannende Welt, die es verdient, differenziert betrachtet zu werden.“
Anhand aufregender, deutschlandweit berühmter Fälle erläutern die Autoren die unterschiedlichen Strategien in der Strafverteidigung und gewähren den Lesenden einen Blick hinter die Kulissen der Justiz. Außerdem werden im Rahmen dieser Fälle die juristischen Besonderheiten und Einzelheiten erläutert, welche für NichtjuristInnen oder StudienanfängerInnen separat erklärt werden. Damit ist das Buch nicht nur eine wunderbare Lektüre für JuristInnen, die sich mit Strafverteidigung auseinander setzen wollen, sondern auch für Laien, welche noch keine Vorkenntnisse auf diesem Bereich aufweisen.
Ein Highlight des Buches stellt für mich das Kapitel 7 dar: „Eine Woche im Leben eines Strafverteidigers“, in dem man erkennt, wie arbeitsintensiv und abwechslungsreich die Strafverteidigung sich darstellt. Ein weiteres lesenswertes Kapitel ist das elfte, in dem ein brisanter Fall mit einer sehr bekannten Frau beleuchtet wird und anhand dessen aufgezeigt wird, wie schwierig die Verteidigung von Prominenten sich bei erhöhter Medienaufmerksamkeit darstellen kann.
Ich persönlich war sehr begeistert von diesem Buch und habe es förmlich verschlungen. Dadurch, dass es durch die immer anders gelagerten Fälle so kurzweilig ist, würde man am liebsten gar nicht mehr aufhören, zu lesen. Mit großer Spannung erwarte ich daher weitere Bücher von Herrn Benecken und Herrn Reinhardt und wünsche euch bis dahin viel Spaß beim Lesen.
Habt ihr das Buch bereits gelesen? Dann schreibt uns gerne einen Kommentar auf Instagram dazu auf @goldwaage.jura.
*Dieses Buch wurde uns vom Verlag Benevento Publishing kostenlos zur Verfügung gestellt; die Rezension beruht selbstverständlich auf unserer Eigenwahrnehmung ohne den Einfluss des Verlages.
Ein theoretisches Konzept für Menschenrechte entwickeln – das ist das Ziel, das der Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen in seinem Aufsatz anstrebt.
Sen sieht Menschenrechte als moralische Forderungen nach bestimmten, grundsätzlichen Freiheiten. Seinen Ansatz begründet Sen auch durch Bezugnahme auf andere Philosophen wie Adam Smith, John Rawls, Karl Marx und vielen andere.
„Eine Theorie der Menschenrechte lässt sich vernünftigerweise nicht auf das juristische Modell beschränken, in das es oft gepresst wird“
Amartya Sen
Sens Text ist dank seiner wissenschaftlichen Tiefe keine leichte Lektüre – aber dennoch sehr lesenswert. Der Autor regt zu einem rationalen bzw. „vernünftigen öffentlichen“ Diskurs an. Er ermutigt die Lesenden, möglichst objektiv über Menschenrechte nachzudenken und angesichts der globalen Herausforderungen weder zu resignieren, noch sich für alles verantwortlich zu fühlen.
Für seine Forschung wurde Sen 1998 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.
Im August stellen wir euch Kafkas „Der Prozess“ für den Legal Bookclub vor.
Der Bankangestellte Josef K. wird eines Morgens von Wächtern in seinem Haus geweckt, die ihm verkünden, dass er von nun an verhaftet sei und ein Strafprozess gegen ihn laufen würde. K. versucht daraufhin angestrengt, herauszufinden, auf welcher Grundlage er verhaftet wurde und wie er einer Verurteilung entkommen kann. Trotz seiner Verhaftung bleibt K. auf freiem Fuß und erlebt allerlei sonderbare Momente auf dem Weg zur Wahrheitsfindung.
Dieser Roman ist anders als die bisher von uns vorgestellten, da er sich gewissermaßen in einer Parallelwelt abspielt, die LeserInnen sowohl verwirrt als auch nachdenklich stimmt.
Oft bleibt das Gefühl zurück, dass Kafka mehr Fragen aufwirft, als er beantworten kann. Sein Roman lebt von dem Unausgesprochenen und dem Mysterium, das Kafka hinterlässt.
Faszinierend fand ich die sprachliche und kulturelle Reise in die Vergangenheit, auf die man sich beim Lesen dieses mehr als einhundert Jahre alten Buches begibt. „Der Prozess“ lebt von der Interpretation jeder lesenden Person – ob man das Werk als Gesellschaftskritik oder als ein sehr persönlich, fast schon autobiografisch angelehntes Werk Kafkas verstehen möchte.
„Das Gericht will nichts von dir. Es nimmt dich auf, wenn du kommst, und es entlässt dich, wenn du gehst.“
Ein Kriminalroman von Friedrich Dürrenmatt [Unbezahlte Werbung]
Die Geschichte spielt, anders als der Titel vermuten lässt, nicht in einem Gerichtssaal, sondern rund um ein Polizeirevier in Bern in der Schweiz.
Als dort ein junger Polizist tot aufgefunden wird, macht sich der Kriminalkommissar Bärlach auf die Suche nach dem Täter, zusammen mit seinem Kollegen Tschanz.
Die Geschichte nimmt eine unvorhergesehene Wendung, als die beiden auf einen Geschäftsmann namens Gastmann stoßen, denn viele Spuren deuten auf ihn als Täter hin. Doch nichts ist so eindeutig in “Der Richter und sein Henker”, wie es auf den ersten Blick scheint und die Trennlinie zwischen Tätern und Opfern wird immer unschärfer.
Dürrenmatt behandelt in dieser kurzen Geschichte mit seinem prägnanten und manchmal fast minimalistischen Stil verschiedenste Themen. Neben der Jagd nach Verbrechern geht es um alte Rivalitäten, Krankheit und Selbstjustiz.
„Dann waren Sie der Richter, und ich der Henker“, keuchte der andere.
„Es ist so“, sagte der Alte.
„Und ich, der ich nur Ihren Willen ausführte, ob ich wollte oder nicht, bin nun ein Verbrecher, ein Mensch, den man jagen wird!“
Friedrich Dürrenmatt in „Der Richter und sein Henker“
Ich persönlich habe mich etwas von dem Titel des Buchs leiten lassen und mit einer weitaus Jura-lastigeren Geschichte gerechnet. Dennoch hat mich die kurze Erzählung zum Nachdenken gebracht: Geht es bei Bestrafungen von Verbrechern um den Schutz der Bevölkerung, oder vielmehr um das eigene, sehr subjektive Gefühl von Gerechtigkeit?!
Ein Roman von Bernhard Schlink [unbezahlte Werbung]
Diesen Monat habe ich ein etwas anderes Buch für den Legal Bookclub gelesen. „Der Vorleser“ beginnt zunächst mit einer verbotenen Liebe, entpuppt sich jedoch rasch als ernstes Werk, das sich auch mit den Schicksalen der Opfer und Täter des Nationalsozialismus auseinandersetzt.
Der Autor Bernhard Schlink analysiert als ehemaliger Richter und Professor für Öffentliches Recht, aber vor allem als sehr genauer Beobachter, einen NS-Prozess mit seinen emotionalen und juristischen Facetten.
„Daß einige wenige verurteilt und bestraft und daß wir, die nachfolgende Generation, in Entsetzen, Scham und Schuld verstummen würden – das sollte es sein?“
Bernhard Schlink über die Erinnerungskultur und den Generationenkonflikt
Eine Geschichte über Liebe, Schuld, Verantwortung und Gerechtigkeit
Am meisten fasziniert hat mich die ungewöhnlich tiefe und unerschütterliche Liebe des Protagonisten zu seiner Partnerin. Eine Verbindung, die sich keiner Zeit, keinem Ort und keiner Lebenslage beugt.
Insgesamt ist der Roman keine leichte Lektüre, aber eine, die zum Nachdenken anregt, an Verdrängtes erinnert und an Bestehendem zweifeln lässt.