Neulich erzählte mir Carla von einer interessanten Analogie, die sie im Buch „Besser fühlen“ vom Psychologen und Autor Leon Windscheid gelesen hatte. Kurz gefasst ging es um ein Experiment mit zwei Affen, denen jedes Mal ein Stück Gurke im Tausch gegen einen Stein gegeben wurde. Keiner der Affen schien mit den Gurken unzufrieden zu sein. Plötzlich jedoch wurde einem der Affen im Gegenzug eine Weintraube gegeben. Der Affe war ganz entzückt darüber, diesmal etwas „Süßes“ bekommen zu haben. Daraufhin tauschte der zweite Affe ebenfalls noch einmal einen Stein ein und bekam wider Erwarten ein Stück Gurke und keine Weintraube. Anstatt wie bisher seelenruhig seine Gurke zu akzeptieren, bekam er einen Tobsuchtsanfall angesichts dieser „Ungerechtigkeit“.
„Im Laufe der Evolution, so die Vermutung, war es wichtig, die eigenen Anstrengungen und deren Ergebnis mit anderen zu vergleichen. […] Aus dieser Grundhaltung entsteht die Gefahr, dass man im Vergleichen nie wirklich zufrieden endet.“
– Leon Windscheid, „Besser Fühlen“ (2021), S. 217.
Das erste, woran ich dabei sofort denken musste, waren die Noten im Jurastudium. Wie oft ist es mir und anderen aus meinem Umfeld passiert, dass man ein an sich passables oder sogar gutes Ergebnis erhielt, über das man sich sonst gefreut hätte, aber im Vergleich mit anderen wirkte es plötzlich unbedeutend und ungenügend. Erst neulich beobachtete ich im Bekanntenkreis ebendiese Situation: ein Kommilitone erhielt eine extrem gute Note und konnte sich nicht eine Sekunde darüber freuen, weil jemand anderes aus dem Kurs (aus seiner Sicht vermutlich ungerechtfertigt) eine noch bessere Note erhalten hatte.
Gäbe es also den ständigen Vergleich nicht, dem wir uns selbst immer wieder aussetzen, könnte sich vielleicht an der ein oder anderen Stelle sogar so etwas wie Zufriedenheit über die eigene Leistung einstellen (unvorstellbar, nicht wahr?). Man könnte sich über die solide und durchaus leckere Gurke freuen, selbst wenn andere auch mal eine Weintraube erhielten.
Was kann man nun aber tun, wenn KommilitonInnen einem ihre Leistungen dennoch ungefragt auf die Nase binden oder sogar damit prahlen und man die eigene Note sofort als minderwertiger betrachtet? Dann hilft nur eine Art Selbst-Coaching, mit dem ich vor vielen Semestern begonnen habe.
Der Schlüssel lag für mich darin, den Fokus auf mich zu legen und nicht auf andere. Das bedeutet, dass ich jede meiner Leistungen im Lichte meiner Fähigkeiten und Erwartungen betrachte.
Wie sieht das konkret aus? Nach einer Klausur oder Hausarbeit schätze ich meist mein Gefühl dazu ein. Eine mögliche Abwägung kann so aussehen: „Ich habe für diese Klausur nicht viel lernen können, weil ich lange Zeit krank war und mein Wissen dadurch nicht ganz gefestigt war. Ich bin auf einige Schwerpunkte rückblickend nicht genügend eingegangen, also gehe ich davon aus, dass es wohl um die fünf Punkte werden.“ Damit habe ich mir also einen realistischen Erwartungshorizont an meine Leistung gesetzt. Wenn ich nun tatsächlich fünf Punkte erhalte und ein Kommilitone neun Punkte, packt mich weder ein Vergleichswahn, noch die Missgunst, weil ich weiß: „Ich habe genau das bekommen, was ich auch investiert habe.“ Diese Taktik geht natürlich nicht auf, wenn ich mich ungerecht bewertet fühle. Wenn ich wochenlang an der Ausformulierung meines perfekt anmutenden Gutachtens saß und ein anderer Kommilitone die Hausarbeit innerhalb weniger Tage verfasst und dennoch besser abschneidet. Wenn ich weiß, dass der Kommilitone ein unschlagbares Auffassungsvermögen, Gedächtnis oder Judiz (oder alle drei) besitzt, dann erkenne ich diese Leistung absolut neidlos an und fühle mich sogar inspiriert davon. Intelligente oder fachlich versierte Menschen sehe ich primär nicht als KonkurrentInnen, sondern möchte gerne etwas von ihnen lernen und mich mit ihnen austauschen. Dabei hilft es mir, meinen Selbstwert nicht von juristischen Leistungen abhängig zu machen. Eine nicht bestandene Klausur lässt mich nicht über Nacht inkompetent werden. So abgedroschen es klingen mag, aber seine Schwächen zu kennen und zu ihnen zu stehen, kann eine unglaubliche Stärke darstellen.
Wir fassen zusammen:
Im ersten Schritt erst gar nicht nach links und rechts gucken,
immer einen angemessenen Erwartungshorizont an sich selbst haben,
erfolgreiche Menschen als Vorbild und nicht als Feindbild sehen,
eigene Stärken und Schwächen realistisch einschätzen,
Jura nicht zum Mittelpunkt seiner selbst machen.
Dieses Mindset führt dazu, dass ich mich seit langem sowohl über die Gurken, als auch über die Weintrauben auf der juristischen Notenskala freuen kann. So oder so – es ist immerhin ein Snack! 😉
Ich hoffe, dass ich dir mit diesen Gedankenanstößen ein wenig weiterhelfen konnte. Wenn du deine Erfahrungen mit dem Thema mit uns teilen möchtest, erreichst du uns auf Instagram unter @goldwaage.jura.
Unsere liebe Freundin und erfolgreiche Studygrammerin Céline vom Instagram-Account @cc.and.law hat für uns eine Gastrezension zu „Gott“ von Ferdinand von Schirach verfasst. Wir freuen uns sehr darüber, ihre Gedanken mit euch teilen zu dürfen.
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Richard Gärtner, 78, ein körperlich und geistig gesunder Mann, will seit dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben. Er verlangt nach einem Medikament, das ihn tötet. Mediziner, Juristen, Pfarrer, Ethiker, Politiker und Teile der Gesellschaft zweifeln, ob Ärzte ihm bei seinem Suizid helfen dürfen. Die Ethikkommission diskutiert den Fall.
Das 2020 erschienene Buch von Ferdinand von Schirach erinnert im ersten Moment an eines seiner bekanntesten Bücher: „Terror“. Auch „Gott“ ist in Form eines Theaterstücks verfasst, das den Leser sofort mitten in die Geschichte katapultiert.
In der Geschichte wird vor dem Ethikrat die Frage eines assistieren Suizids thematisiert. Besonders geht es um die Frage, ob Mediziner und in gewisser Weise der Staat dazu verpflichtet sein sollen, Sterbewilligen bei deren freiwilligem Suizid zu helfen.
Dabei werden aus staatsrechtlicher, medizinischer und religiöser Sicht verschiedene Aspekte und Argumente diskutiert.
Das Ende des Buches ist ebenso wie „Terror“ sehr offen gestaltet und jeder Leser kann zu einem eigenen Ergebnis kommen.
Besonders überzeugend wurde diese Spielart im TV-Experiment bei der Erstausstrahlung am 23. November 2020 umgesetzt, bei dem die Zuschauer selbst an der Entscheidung beteiligt wurden und die entscheidende Frage per Abstimmung entscheiden durften.
Das Buch ist für jeden Jura-Studenten eine gute Möglichkeit, um neben dem kurzen Kapitel, in dem man die Sterbehilfe und den assistieren Suizid im Strafrecht behandelt, die Problematik noch aus anderen Perspektiven zu betrachten. Während man im Studium doch häufig schnell der herrschenden Meinung oder der Ansicht des Dozenten folgt und nicht die Zeit oder Motivation hat, jedes Thema tiefgehend zu recherchieren und sich damit auseinanderzusetzen, bekommt man hier einen Einblick, der sich nicht nur auf die juristische Sichtweise beschränkt.
Aber auch für jeden Anderen ist dieses Buch von Schirach eine klare Empfehlung. Es erklärt die Problematik, die hinter dem assistieren Suizid steckt und vielen vielleicht gar nicht bewusst ist, wenn sie damit in ihrem Alltag nicht zu tun haben. Den ersten Kontakt haben viele dann meist über die Medien oder im privaten Umfeld und es ist in der Regel nicht mehr so einfach möglich, das Thema differenziert und unvoreingenommen zu betrachten. Dafür bietet sich dieses Buch sehr gut an.
Es liest sich angenehm und ist durch die Gestaltung als Theaterstück auch sehr prägnant und wird an keiner Stelle langatmig. Dadurch kann man es auch leicht an einem Abend durchlesen.
Ergänzt wird es am Ende durch Aufsätze von drei Experten, die das Thema losgelöst von der Geschichte, die Schirach geschaffen hat, noch einmal erläutern.
Insgesamt fand ich das Buch sehr gut und hab es an zwei Abenden durchgelesen!
Beim Schreiben der Rezension habe ich dann erst herausgefunden, dass das Buch auch schon seit 2020 verfilmt ist und mir den Film direkt angesehenen und kann ihn auch als Ergänzung zum Buch empfehlen. Das Buch mochte ich tatsächlich lieber, weil ich teilweise das Gefühl hatte, dass der Film nicht so neutral wie das Buch gestaltet war und den Zuschauer mehr von einer bestimmten Position überzeugen möchte.
Leider habe ich nicht an dem TV-Experiment teilnehmen können, aber meinen Standpunkt zu dem Thema konnte ich trotzdem noch einmal überdenken und hatte interessante Einblicke.
Toxische Ehrlichkeit..? Vielleicht fragt ihr euch, was das nun wieder für eine neumodische Erfindung sein soll. Neumodisch ist daran höchstens die Verwendung des Wortes „toxisch“. Als toxisch – also giftig – werden heutzutage viele Dinge bezeichnet, die als besonders destruktiv wahrgenommen werden.
Das, wovon ich euch jetzt erzähle, ist ein Paradebeispiel für toxisches Verhalten. Gemeint sind Menschen, die unter dem Deckmantel der Ehrlichkeit alle möglichen grausigen Äußerungen von sich geben. Hier ein paar Beispiele, die ich genau so schon gehört habe:
„Du würdest es ja nicht einen Tag lang in dem Beruf aushalten, dir fehlt die Disziplin dafür.“
„Eurer Instagram-Seite werden spätestens nach Weihnachten sowieso alle wieder entfolgen.“
„Du brauchst dich auf die Stelle nicht zu bewerben, da gibt es einen viel besseren Kandidaten, habe ich gehört. Das einzige, was du ihm voraus hättest, ist, dass du eine Frau bist und der Frauenanteil an dem Lehrstuhl bei Null liegt.“
on pexels.com by Anna Shvets
Wenn ich so etwas höre, ist meine intuitive Reaktion immer die Schockstarre. Ich versuche zu begreifen, wie man es sich erlauben kann, so etwas von sich zu geben. Wie soll man überhaupt auf Kritik reagieren, die einem gar keine Chance auf Verbesserung einräumt, sondern nur zusammenfasst, dass man eh versagen und es zu nichts bringen wird?
Reagiert man entsetzt oder gar wütend, schützen sich solche Menschen mit den Worten „Ich bin doch nur ehrlich. Das war doch nicht böse gemeint.“ oder in feinster Gaslighting-Manier mit „Das war doch nur ein Scherz. Sei mal nicht so zartbesaitet. Ich kann nichts dafür, wenn du so ein Sensibelchen bist“.
Äußerst hilfreich soll außerdem folgende Gegenfrage sein „Mit welchem Ziel teilst du mir das mit?“. Sie wirkt zum einen wie ein Spiegel und zum anderen hat sie durchaus das Potenzial dazu, einen Menschen zu entlarven. Die Reflektierten unter den Dreisten werden nach dieser Frage ins Stottern kommen und vielleicht Einsicht zeigen; mit dem Rest braucht man nicht zu diskutieren.
In vielen Fällen glaube ich sogar, dass die Aussage nicht primär böse gemeint war. Einige Menschen setzen sich zu wenig mit ihren unbewussten Impulsen auseinander und hinterfragen zu selten, warum genau sie sich so gefühlt oder so etwas gesagt haben. Wenn man lange genug nach der Ursache sucht, findet man sie auch. Vielleicht war es Frust, vielleicht war es Missgunst, weil man selbst in letzter Zeit nicht zufrieden mit sich selbst war. Oder vielleicht war es ja wirklich nur gut gemeint und man hat es unglücklich formuliert.
Heute bereue ich, mich damals tatsächlich von der dritten Aussage verunsichern lassen zu haben und mich nicht beworben zu haben. Nicht, weil ich so gerne dort gearbeitet hätte, sondern aus Prinzip. Ich möchte nicht Teil einer Gesellschaft sein, die anderen Menschen Steine in den Weg legt und sie in ihrer Entwicklung ausbremst. Ich möchte nicht in zwei Jahren eine der Ursachen dafür sein, dass jemand ein Projekt nicht begonnen hat, weil ich die Person entmutigt habe.
Das, was ich als wahr und ehrlich erachte, kann aus einem anderen Standpunkt heraus gesehen auch vollkommener Unsinn sein.
Aber wie soll man denn nun seine Meinung äußern dürfen, ohne dass sie als „toxisch ehrlich“ gilt? Zunächst könnte man sich fragen, welche Reaktion man sich auf die Aussage eigentlich erhofft. Möchte man wirklich nur helfen und einen kleinen Tipp geben? Dann kann man diesen auch freundlich und aufgeschlossen formulieren und idealerweise auch gute Aspekte nennen, bevor man jemanden mit zu viel Kritik erschlägt. Aber auch dann sollte man immer im Blick haben, dass nicht alles, was gedacht wird, auch gesagt werden muss.
In den meisten Fällen möchten Menschen nämlich gar nicht die Meinung anderer hören. Und wenn doch, dann fragen sie danach.
Abschließen will ich mit einem alten, aber dennoch hochaktuellen Zitat aus dem Kinderfilm „Bambi“:
„Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten.“
Den Monat Dezember nutzen wir dazu, euch neue StartUps und Vereine im juristischen Bereich vorzustellen. Heute freuen wir uns darüber, euch Legally Female zu präsentieren.
Legally Female wurde von Ann-Kathrin Ludwig, Marcelina Puchalski und Felicitas Famulla ins Leben gerufen. Die drei haben sich zum Ziel gesetzt, ein Netzwerk für angehende Juristinnen zu gründen, in dem der vorurteilsfreie Austausch über das Studium und Karriereoptionen im Vordergrund steht.
Goldwaage:Wer steckt hinter Legally Female und wie kamt ihr auf die Idee, das Netzwerk zu gründen?
Legally Female: Wir sind drei Gründerinnen – Ann-Kathrin Ludwig, Marcelina Puchalski und Felicitas Famulla. Ann-Kathrin hatte seit Jahren den Wunsch, Legally Female zu gründen und hierbei andere Juristinnen auf dem Weg zum Erfolg zu unterstützen. Hierbei hat sie sich Marcelina Puchalski, die bereits zweifach erfolgreich gegründet hat und Felicitas Famulla, welche seit Jahren neben ihrer juristischen Tätigkeit im Social Media Bereich tätig ist, ins Boot geholt.
Die Idee kam aus der langjährigen beruflichen Erfahrung in diversen Kanzleien und anderen juristischen Tätigkeiten, wo wir gemerkt haben, wie sehr wir selbst dazu neigen, uns zu wenig zuzutrauen und unsere Leistungen nicht objektiv zu bewerten und dass Förderung meistens erst dann ermöglicht wird, wenn man bereits objektive Kriterien für diese aufweist.
Marcelina Puchalski, Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla
Goldwaage: Was sind die Hauptziele eures Projekts?
Gemeinsam wollen wir die Förderung angehender Juristinnen ohne Wenn und Aber ermöglichen. Wir glauben fest daran, dass die Rechtswissenschaft starke Juristinnen braucht und wollen den juristischen weiblichen Nachwuchs ermutigen, ihr Potential vollkommen auszuschöpfen.
Natürlich ist es beeindruckend, wenn juristischer Nachwuchs gute Noten, spannende Lebensläufe und beeindruckende Praktika und erste Berufserfahrungen aufweisen kann. Wir wollen von diesen objektiven Kriterien jedoch nicht die Förderungsmöglichkeit abhängig machen und für die Bildungsgleichheit kämpfen. Es ist für uns gerade nicht Voraussetzung, einen beeindruckenden Lebenslauf und herausragende Noten aufweisen zu können, sondern wir wollen mit der Förderung frühzeitig beginnen – ab dem ersten Semester. Dadurch soll kein Potential verloren gehen und dem entstehenden Förderbedarf Rechnung getragen werden.
Goldwaage: Wie sieht eine Förderung durch euch konkret aus? Angenommen man ist Jurastudentin im ersten Semester und meldet sich bei euch – wie geht es dann weiter?
Unsere Förderung beruht auf drei Grundsäulen.
Die Hauptsäule ist das LF (Legally Female) Mentoring. Zunächst bewirbt sich eine potentielle Mentee bei uns per E-Mail. Daraufhin wird ein kurzes, unbürokratisches Vorstellungsgespräch geführt, um zu schauen, ob eine etwaige Zusammenarbeit persönlich passt. Das Grundkonzept von Legally Female ist kostenlos und unbürokratisch. Durch die Informationen aus dem Bewerbungsverfahren führen wir ein passendes Pairing mit einer geeigneten Mentorin durch und geben beiden einen Mentoring-Leitfaden mit an die Hand. Zudem veranstalten wir eine Einführungsveranstaltung – sowohl für Mentorinnen als auch Mentees, damit die Eckpfeiler des Programms transparent umrissen werden. Aus der persönlichen Mentorin-Mentee-Beziehung halten wir uns aber natürlich heraus, um ein Safe-Space-Networking zu gewährleisten. Sollte es aus irgendeinem Grund Probleme geben, stehen wir natürlich immer als Ansprechpartner parat.
Ansonsten wird es noch das LF Developing und LF Networking geben.
Im Rahmen des LF Networking bieten wir einen Safe-Networking-Space im Rahmen einer geschlossenen Linked-In Gruppe, wo ein vertrauensvoller Austausch über sensible Themen und ein regelmäßiger Austausch mit inspirierenden Persönlichkeiten stattfindet.
Im Rahmen des LF Developing veranstalten wir – teils kostenpflichtige – Workshops mit spannenden Speakern, die nicht nur Mentorinnen und Mentees, sondern allen offensteht.
Goldwaage: Wie schafft ihr es, jeweils euren Hauptberuf und eure Firma unter einen Hut zu bringen?
Bisher klappt das noch ganz gut, weil wir alles auf die Wochenenden, frühen Morgenstunden und späten Abendstunden legen. Unsere Hauptjobs sind nicht von Legally Female betroffen, obwohl wir durch unsere Arbeitgeber sehr viel Unterstützung erfahren.
Goldwaage: Durch die gemeinsame Arbeit an Goldwaage wissen wir, dass es manchmal kompliziert ist, bei allen Abläufen Rücksprache zu halten und immer die Meinung des anderen einzuholen. Wie koordiniert ihr euer Unternehmen zu dritt? Habt ihr fest zugewiesene Arbeitsbereiche?
Da wir noch ganz am Anfang stehen, läuft das Ganze bisher ausschließlich unter uns dreien durch E-Mails und Whatsapp ab. Dadurch stehen wir täglich in engem Austausch und sind auch privat eng verbunden.
Goldwaage: Wo seht ihr Legally Female in der Zukunft?
Legally Female soll die Rolle der Frau in der Rechtswissenschaft stärken und einen umfassenden Überblick über die möglichen Berufsbilder in der Juristerei bieten. Wir freuen uns auf alles, was noch kommt und bereiten uns bereits auf die ersten Präsenzveranstaltungen und -workshops vor.
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An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bei Ann-Kathrin, Marcelina und Felicitas bedanken und wünschen ihnen noch viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Visionen in der Zukunft.
Falls ihr Legally Female weiter mitverfolgen wollt, gelangt ihr hier zum dazugehörigen Instagram-Account.
Ein autobiografisches Sachbuch von Jörg und Miriam Kachelmann
In diesem Monat gibt es zum ersten Mal in der Geschichte des Legal Bookclubs eine Gastrezension. Unser Kommilitone Erik Meiners hat für euch das Buch des Ehepaars Kachelmann gelesen und wir freuen uns sehr, seinen Beitrag mit euch teilen zu dürfen.
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Zum Inhalt
Nur wenige Gerichtsverfahren haben in den letzten Jahren eine solche mediale Aufmerksamkeit erfahren wie jenes um den Wettermoderator Jörg Kachelmann. 2010 wurde er unter dem Verdacht, er habe seine Expartnerin vergewaltigt, festgenommen und angeklagt. Kachelmann wurde freigesprochen, hat aber noch heute unter den Folgen der damaligen Berichterstattung zu leiden. Seine Frau und er schildern in diesem Buch ihre Erlebnisse und stellen dem Rechtsstaat ein vernichtendes Zeugnis aus.
Chronologisch verfolgt das Buch die Ereignisse in sieben Teilen ab dem Tag der Verhaftung bis zum Freispruch und noch darüber hinaus. Es ist mit vielen Abbildungen von Originaldokumenten versehen; aus wieder anderen Dokumenten wird ausführlich zitiert. Von insgesamt zweiundvierzig Kapiteln hat Miriam Kachelmann lediglich fünf verfasst.
Zur Kritik
Den Autoren geht es nicht darum, Zeugnis abzulegen, um dem Leser ein objektives Urteil über das Vorgehen der Behörden zu ermöglichen. Vielmehr dient das Buch offenbar beiden dazu, sich Luft zu machen.
Zwischen den Zeilen stehen all der Zorn und die Wut, die sich in den Monaten der Untersuchungshaft und des Prozesses angestaut haben, mehr aber leider nicht. Das Buch wirkt wie eine bloße Aneinanderreihung von Erlebnissen, denen lediglich gemein ist, dass sie den Leser mit dem unbehaglichen Gefühl zurücklassen, irgendetwas müsse hier falsch gelaufen sein. Kachelmann gelingt es nicht, das Zusammenspiel der Einzelfaktoren des systemischen Unrechts darzustellen.
Das liegt zum einen an seiner fehlenden Expertise und zum anderen an seinem subjektiven Standpunkt. Beides kann Kachelmann nicht vorgehalten werden. Es hindert jedoch daran, dem Buch eine abstrakte Essenz zu entnehmen. So empfindet Kachelmann etwa seine Inhaftierung, überhaupt seine Festnahme, als Ungerechtigkeit und bemängelt in der U-Haft die fehlenden Anstrengungen zur Resozialisierung der Gefangenen. Dabei vergisst er, dass die Untersuchungshaft keine Strafe ist, sondern dazu dient, die Flucht- oder Verdunkelungsgefahr zu minimieren und daher zu diesem Zeitpunkt aus objektiver Sicht geboten war. Zur Resozialisierung ist die U-Haft nicht verpflichtet – schließlich handelt es sich hierbei nicht um Schuldige, sondern um Verdächtige unter dem Schutz der Unschuldsvermutung, die sich also nie außerhalb der Gesellschaft befanden. Ungerechtigkeit mag hingegen etwa in der unverhältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft und in den Haftbedingungen liegen. Die Darstellung lässt an solchen Stellen die Differenzierungen vermissen, deren Abwesenheit andererseits bei der Berichterstattung selbst bemängelt wird. Es fällt daher schwer, sie tatsächlich ernst zu nehmen.
Erst der allerletzte Teil des Buches lässt aufatmen. Miriam Kachelmann beschreibt, „was sich ändern muss“ und übt erfrischende Kritik. Sie zeigt, dass das Bild, das die StPO von der Richterpersönlichkeit zeichnet, unzutreffend ist, dass das Jurastudium nicht ausreichend auf die Tätigkeit als RichterIn vorbereitet und dass die Rechtspraxis nur diesem Idealbild entsprechen kann, wenn sie sich sehr anstrengt.
„Richter sind leider nicht so übermenschlich, wie unsere Strafprozessordnung es sich wünscht.“
S. 292
Es ist der Teil des Buches, der nicht nur hätte nachgeschoben werden sollen, sondern über den gesamten Text verteilt das Fundament hätte darstellen müssen.
Kachelmann will an seinem Beispiel eine Analyse des Rechtsstaates und dessen Problemen liefern. Leider verfängt er sich auf dem Weg dorthin in Kleinigkeiten und zwingt den Leser, seine stetigen Beschwerden und Selbstbemitleidungen zu ertragen. Dies tut dem Buch einen gewaltigen Abbruch. Kachelmann schafft es nicht, über das große Ganze zu sprechen, weil es ihm wichtiger ist, über sich selbst zu reden. Das Buch zeigt daher nur noch die Scherben, die eine Falschbeschuldigung, Mediendruck und die darunter einknickende Justiz zurücklassen.
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Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei Erik für seine kritische und authentische Rezension und werden nach Möglichkeit auch in Zukunft diverse Gastrezensionen veröffentlichen.
Diesen Monat hatten wir die Chance, Arian Birth zu interviewen.
Er ist 23 Jahre alt, kommt aus Stralsund und hat sein Jurastudium an der Universität Greifswald mit einer zweistelligen Note abgeschlossen.[1] Seinen Schwerpunkt legte er in „Europarecht und Rechtsvergleichung“ ab und absolvierte zusätzlich ein Auslandssemester in Lund, Schweden.
Wir sind sehr froh darüber, dass wir ihm eure vielen Fragen zu seinem Examen stellen durften, die ihr uns über Instagram zukommen lassen habt. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Arian, vielleicht fangen wir ganz vorne an: wie kamst du überhaupt dazu, Jura zu studieren?
Ich habe tatsächlich vor dem Jurastudium ein Semester lang BWL studiert, aber das war mir zu mathelastig. Danach musste ich mich umorientieren und habe überlegt „Eigentlich interessierst du dich sehr für gesellschaftliche Themen, Politik, Wirtschaft.“ Ich wollte etwas studieren, bei dem ich das Gefühl hatte, das größere Ganze überblicken zu können und da schien mir Jura eine gute Wahl zu sein. Außerdem fand ich Jura sehr praxisbezogen, da man von Tag eins an Dinge lernt, die man auch in seinem Alltag gut gebrauchen kann.
Wie waren deine Noten im Studium?
Am Anfang mittelmäßig. In meiner ersten Hausarbeit hatte ich 4 Punkte. Bis zur Zwischenprüfung hatte ich so meine Startschwierigkeiten. Je mehr ich aber gelernt und verstanden habe, desto besser wurden auch die Noten.
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, abzubrechen?
Ich glaube jeder von uns hat sich diese Frage schon gestellt, und nicht nur ein Mal (lacht). Es gab häufiger Zeiten, gerade in Richtung der großen Scheine, in denen ich mich überfordert gefühlt habe und mich gefragt habe „Warum mache ich das hier überhaupt?“. Auch in der Examensvorbereitung gab es Momente, die schwierig waren, aber ich bin einfach drangeblieben. Das war auch sehr gut so, denn irgendwann kommt immer eine gute Note in einer Probeklausur, die einen weiter motiviert.
Hast du in Regelstudienzeit studiert?
Ja, ich habe nach neun Semestern mein Examen geschrieben. Ich hatte Glück, dass ich relativ schnell durch die Übungen kam und nichts wiederholen musste. Dazu muss ich aber auch sagen, dass meine Examensvorbereitung vergleichsweise kurz war.
Wie lang war deine Examensvorbereitung?
Ich kam damals aus dem Auslandssemester und wollte gerne möglichst schnell fertig werden, da das permanente Lernen schon sehr anstrengend war. Ich habe mir deshalb einen Examenstermin herausgesucht, der für mich machbar wirkte und das war dann der für April 2021. Ich habe mir quasi bis Weihnachten eine Frist gesetzt, bis zu der ich mich endgültig entscheiden musste, ob ich zum Examen antrete und wollte diese Entscheidung dann von den Ergebnissen der Probeklausuren abhängig machen. Im Endeffekt habe ich mich acht Monate lang intensiv auf das Examen vorbereitet. Dazu muss ich sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon vieles ausgearbeitet hatte und fast die gesamte Zeit nur zum Lernen nutzen konnte. Ich habe versucht, mir so viel wie möglich während der großen Übungen an Wissen anzueignen, um dann später eine gute Grundlage für die Examensvorbereitung zu haben.
Hast du digitale oder analoge Notizen benutzt?
Ich habe alles auf eigenen Karteikarten notiert. Im ersten Semester hatte mir eine Seminarleiterin zu Karteikarten geraten und diesen Rat habe ich dann befolgt. Dazu hatte ich noch extra Definitionskarteikarten, das müssten allein schon mindestens 350 gewesen sein…
Digitale Notizen waren nicht meins, da ich die Karteikarten gerne in der Hand halte beim Lernen.
Wie war deine Lernroutine im Examen?
Ich habe morgens mit 20 Minuten Definitionenlernen angefangen. Danach habe ich eine Lösungsskizze für einen Fall erstellt und die Skizze dann mit der Musterlösung abgeglichen. Den Rest des Tages bin ich dann meine Karteikarten durchgegangen: also Schemata, Streitstände, etc. Insgesamt habe ich pro Tag ca. acht Stunden lang gelernt, mit zwischenzeitlichen Pausen.
Hattest du einen Lernplan?
Die Lernpläne, die ich z.B. im Internet gefunden habe, waren alle nicht auf die kurze Zeitspanne ausgelegt, in der ich mich vorbereitet habe. Daher habe ich mir als eigenen Lernplan festgelegt, dass ich jede Woche alle Stoffgebiete bearbeite, sodass ich im Stoff bleibe. Zwei bis zweieinhalb Tage die Woche habe ich mich mit Zivilrecht beschäftigt, dann zwei Tage mit öffentlichem Recht und ca. einen Tag mit Strafrecht. Samstags habe ich Probeklausuren im Examensklausurenkurs meiner Universität geschrieben, insgesamt waren es vielleicht 15 Probeklausuren.
An einem Tag in der Woche war ich beim Öffrecht-Repetitorium meiner Uni, aber ich habe kein privates Repetitorium besucht. Öffentliches Recht war eigentlich nie meine Stärke, daher brauchte ich da mehr Input als in den anderen Fächern. Den Rest des Stoffs habe ich mir über Bücher mehr oder weniger selbst beigebracht, da ich nicht der Typ für Vorlesungen war. Einen Tag in der Woche habe ich mir komplett frei genommen.
Eine Lerngruppe hatte ich nur für den Schwerpunkt, aber nicht für das Examen selbst.
Ich habe inhaltlich in der Examensvorbereitung ganz bewusst mit BGB AT gestartet und habe nicht erst bei den Spezialgebieten angefangen zu lernen, um die Themen wirklich von Grund auf zu verstehen.
Was Lernpläne angeht, muss man da wirklich schauen, dass man für sich einen individuellen Lernplan erstellt und nicht danach schaut, was von irgendjemand anderem vorgegeben wurde.
Welche Materialien kannst du empfehlen (Bücher, Zeitschriften, Skripte)?
Ich habe viel mit den Übungsklausuren der JuS gearbeitet, die haben mir gefallen. Mit dem Klausurenfinder habe ich mir dann speziell Klausuren zu den Themengebieten herausgesucht, die ich gerade bearbeitet habe. Die ZJS fand ich auch sehr gut, die Zeitschrift ist online frei abrufbar. Dort sind wirklich extrem anspruchsvolle Klausuren dabei – wer die gut lösen kann, braucht vor dem Examen wirklich keine Angst zu haben. Was Bücher angeht, habe ich viel mit den Büchern aus dem Nomos-Verlag gearbeitet. Das Nomos-Lehrbuch von Faust zum BGB AT kann ich z.B. sehr empfehlen.
Spezielle Probleme habe ich in der Examensvorbereitung gerne im Kommentar nachgelesen, am liebsten im Beck-Onlinekommentar, da er sehr verständlich geschrieben ist und man darauf so einfach zugreifen konnte.
Was war dein Lieblingsrechtsgebiet?
Ich habe sehr gerne Europarecht gemacht. Ansonsten war Zivilrecht mein Lieblingsgebiet.
Was würdest du im Rückblick anders machen und was hat gut funktioniert?
Rückblickend hätte ich vielleicht ein bis zwei Monate länger für das Examen lernen können, da es schon eine stressige Zeit war. Insgesamt war aber meine Lernstrategie auf mich persönlich optimal zugeschnitten und ich war mit dem Ergebnis so weit zufrieden.
Was aber gut funktioniert hat, war es, mir ca. alle fünf bis sechs Wochen die gesamten Karteikarten in dem jeweiligen Rechtsgebiet anzuschauen und zu wiederholen. Wenn man das nicht tut, vergisst man den Stoff leider sehr schnell.
Wie waren die letzten Wochen vor dem Examen für dich?
In den letzten zwei Wochen habe ich versucht, nichts mehr für Jura zu machen und mir die Dinge nur noch einmal im Kopf zurechtzulegen und zu ordnen. Ich war kaputt und hatte das Gefühl, dass wenn ich mir nicht endlich mal die Zeit nehme, um runterzukommen und mich mental auf die Situation vorzubereiten, dass es dann schiefgeht. Ich glaube, wenn man bis zum letzten Tag noch lernt, ist man zu nervös und im Kopf nicht frei genug für die Klausur. Ich habe mich dann mit ein paar Freunden getroffen, habe ausgeschlafen und Netflix geschaut. Das hat mir wirklich sehr geholfen.
Hattest du die Erwartungshaltung, ein Prädikatsexamen zu schreiben?
Natürlich wünscht man sich das… Ich wollte das gerne schaffen. Ich hatte auch ein paar gute Probeklausuren geschrieben. Dadurch wusste ich, dass es theoretisch möglich wäre, so ein Ergebnis zu erzielen. Ich wusste aber auch, dass meine Vorbereitung sehr kurz war und viel an Normalität und Präsenz an der Uni durch Corona weggefallen war. So ca. acht Punkte insgesamt waren vorher mein Ziel. Hätte ich das nicht geschafft, hätte ich vermutlich die Möglichkeit genutzt, mich zu verbessern, da das ja mein Freiversuch war.
Mit welchem Gefühl bist du in die Examensklausuren reingegangen?
Vor der ersten Klausur waren wir natürlich alle sehr nervös. Ich habe mir gedacht „Oh Gott, wie wird das hier wohl heute?“. Man kennt die Situation einfach nicht und kann sie auch im Kopf vorher nicht durchspielen. Letztendlich versteht man erst, wie es ist, wenn man selbst dort gesessen hat. Ich habe versucht, mich darauf zu besinnen, dass meine Probeklausuren ganz gut gelaufen sind und dass ich sehr viel gelernt habe. Ich hatte eine ganze Zeit lang vor der endgültigen Anmeldung zum Examen das Gefühl „Ich weiß nicht genug. Das wird jetzt nichts…“ – das war eigentlich das viel schlimmere Gefühl. Als ich mich dann dazu entschieden hatte, anzutreten, war ich relativ entschlossen, dass das jetzt irgendwie klappen muss. Ich wollte einfach nur noch, dass es endlich losgeht.
Wie ging es dir nach der letzten Klausur?
Die letzte Klausur war wirklich nicht schön, ich war dort sehr in Zeitbedrängnis. Als ich dann aus dem Raum rausging, habe ich gemerkt, wie die komplette Anspannung von mir abgefallen ist. Ich hatte danach so ca. drei Wochen lang nicht viel mit Jura zu tun, sondern war viel unterwegs und habe meine Familie und Freunde besucht; also alles nachgeholt, was ich in der Zeit davor nicht geschafft habe.
Wie geht es jetzt beruflich für dich weiter?
Ich habe mich dafür entschieden, erst einmal an der Universität Greifswald zu bleiben und arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Schinkels am Lehrstuhl. Ich bin gerade dabei, meine Doktorarbeit im Internationalen Privatrecht vorzubereiten. Wahrscheinlich wird es für mich langfristig in Richtung Anwaltschaft gehen. Aber meine Pläne für die Zukunft würde ich noch als entwicklungsoffen beschreiben.
Welchen Tipp möchtest du unseren LeserInnen abschließend geben?
Fürs Examen würde ich den Tipp geben, dass man sich nicht zu sehr verunsichern lassen darf von dem, was andere machen. Man muss für sich selbst herausfinden, was für einen gut funktioniert und was nicht.
„Ich habe gelernt, dass man nie alles können kann. Und davon darf man sich nicht entmutigen lassen.“
Das ist ganz wichtig. Was ich außerdem für das persönliche Leben empfehlen kann: ich würde probieren, wenigstens an einem Tag in der Woche ein bisschen Abstand von Jura zu bekommen und etwas anderes zu machen. Man darf sich nicht verrückt machen lassen von dem, was andere sagen oder was man so liest.
Erstsemestern kann ich nur empfehlen, irgendwo mit dem Lernen anzufangen und einfach weiterzumachen. So banal es klingen mag, aber man sollte immer dranbleiben, egal wie es gerade läuft.
An dieser Stelle bedanken wir uns noch einmal bei Arian für seine Zeit und die vielen Antworten, die er uns gegeben hat. Einen Instagram-Post zu dem Interview findest du unter @goldwaage.jura, wo du uns gerne einen Kommentar hinterlassen kannst.
[1] Seine genaue Examensnote möchte Arian nicht veröffentlichen, aber da wir ihn persönlich kennen, können wir seine Leistung bestätigen.
Ein Sachbuch von Burkhard Benecken und Hans Reinhardt*
(Werbung wegen Nennung des Buches)
Im November stellen wir euch diesmal „Inside Strafverteidigung“ vor, welches erst im Herbst dieses Jahres erschienen ist. Das Sachbuch handelt vom Berufsbild und -alltag aus Sicht eines Strafverteidigers. Herr Benecken und Herr Reinhard räumen mit Vorurteilen zu ihrem Berufsstand auf und zeigen auf 320 Seiten, wie sehr sie für ihren Beruf brennen.
„Strafverteidigung ist eine der wichtigsten Säulen des Rechtsstaates und nebenbei eine unglaublich spannende Welt, die es verdient, differenziert betrachtet zu werden.“
Anhand aufregender, deutschlandweit berühmter Fälle erläutern die Autoren die unterschiedlichen Strategien in der Strafverteidigung und gewähren den Lesenden einen Blick hinter die Kulissen der Justiz. Außerdem werden im Rahmen dieser Fälle die juristischen Besonderheiten und Einzelheiten erläutert, welche für NichtjuristInnen oder StudienanfängerInnen separat erklärt werden. Damit ist das Buch nicht nur eine wunderbare Lektüre für JuristInnen, die sich mit Strafverteidigung auseinander setzen wollen, sondern auch für Laien, welche noch keine Vorkenntnisse auf diesem Bereich aufweisen.
Ein Highlight des Buches stellt für mich das Kapitel 7 dar: „Eine Woche im Leben eines Strafverteidigers“, in dem man erkennt, wie arbeitsintensiv und abwechslungsreich die Strafverteidigung sich darstellt. Ein weiteres lesenswertes Kapitel ist das elfte, in dem ein brisanter Fall mit einer sehr bekannten Frau beleuchtet wird und anhand dessen aufgezeigt wird, wie schwierig die Verteidigung von Prominenten sich bei erhöhter Medienaufmerksamkeit darstellen kann.
Ich persönlich war sehr begeistert von diesem Buch und habe es förmlich verschlungen. Dadurch, dass es durch die immer anders gelagerten Fälle so kurzweilig ist, würde man am liebsten gar nicht mehr aufhören, zu lesen. Mit großer Spannung erwarte ich daher weitere Bücher von Herrn Benecken und Herrn Reinhardt und wünsche euch bis dahin viel Spaß beim Lesen.
Habt ihr das Buch bereits gelesen? Dann schreibt uns gerne einen Kommentar auf Instagram dazu auf @goldwaage.jura.
*Dieses Buch wurde uns vom Verlag Benevento Publishing kostenlos zur Verfügung gestellt; die Rezension beruht selbstverständlich auf unserer Eigenwahrnehmung ohne den Einfluss des Verlages.
Ich bin inzwischen in meinem siebten Semester. Neben der (teilweise sehr berechtigten) Kritik am Studium, gibt es so einiges, das ich die letzten Jahre an dem Studiengang zu schätzen gelernt habe. Das habe ich für euch in diesem Post gesammelt.
1. Flexibilität In kaum einem anderen Studium kannst du dir deine Zeit so frei einteilen wie im Jurastudium. Du kannst Vorlesungen eigentlich gänzlich aus deinem Stundenplan streichen, falls du der Typ Selbstlerner bist und nur die Pflichtveranstaltungen (AGs, VKs) belegen. Da der Lernstoff bundesweit fast identisch ist, hängt relativ wenig von den einzelnen Dozierenden und deren vorlesungsbegleitendem Material ab. Etwas anderes gilt natürlich, wenn es z.B. um den Schwerpunktbereich oder Zusatzqualifikationen wie den Fremdsprachenschein geht.
Bei vielen Pflichtveranstaltungen kannst du dir darüber hinaus die Zeiten selbst aussuchen. Du bist Frühaufsteher und hast dann gerne den Nachmittag frei? Kein Problem, leg dir deine AGs und Seminare auf 8:00 Uhr morgens.
2. The sky ist the limit Eine Sache wird dir im Jurastudium und späteren Berufsleben nie passieren: Unterforderung. Durch die unzähligen Rechts- und Spezialgebiete gibt es immer etwas neues zu lernen, was für wissbegierige Menschen extrem viele Möglichkeiten bietet. Mit Jura wirst du nie das Gefühl haben, dein volles Potenzial nicht entfalten zu können und in einer Tätigkeit stecken zu bleiben. Die Karriereoptionen sind so vielfältig, dass du keine Stagnation in der Zukunft befürchten musst.
3. Alle Türen stehen dir offen Dieser Punkt leitet sich aus dem vorherigen ab und verdeutlicht noch einmal, wie viel du eigentlich mit Jura anfangen kannst. Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Strafverteidigung, Rechtsanwaltstätigkeit, Behördenarbeit, Gerichtspraxis, Verlagswesen, Journalismus, Arbeit an der Universität – das sind Möglichkeiten, die dir mit zwei Examen offen stehen, wobei natürlich klar ist, dass einige Wege nur mit Prädikatsexamen zu meistern sind. Genau dieser Aspekt des Jurastudiums war es am Ende, der mich davon überzeugt hat, da ich nicht wie bei anderen Studiengängen das erdrückende Gefühl hatte „Oh nein, wie soll ich mit meinen 18 Jahren genau entscheiden, was ich die nächsten zehn bis 50 Jahre beruflich machen möchte?“. Genau das musst du mit Jura nämlich nicht.
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4. Allgemeinbildung Jura hilft ungemein dabei, die komplexen Zusammenhänge zwischen Politik, Recht, Verwaltung, Gesellschaft, Philosophie und Geschichte zu verstehen. Durch die Fremdsprachenqualifikation wirst du auch sprachlich ausgebildet und deine Rhetorikqualifikation befähigt dich dazu, noch selbstbewusster und kompetenter aufzutreten. Das alles sind unglaublich wichtige Erkenntnisse und Schlüsselkompetenzen, die einem das Jurastudium vermittelt und die ich in meinem Alltag nicht missen möchte.
5. Kontakte Im Laufe deines Studiums wirst du viele sehr wichtige und gute Kontakte knüpfen können. Ob zu deinen Kommilitonen, die später am Lehrstuhl arbeiten, zu den Dozierenden, zu deinen PraktikumsleiterInnen usw. Es ist wirklich sehr hilfreich, wenn man am Studienende bereits einen Rechtsanwalt aus seinem Nebenjob kennt, einen Wirtschaftsstrafrechtler, der an der Uni Dozent ist oder eine Staatsanwältin aus seinem Praktikum. All das sind Menschen, die dich sowohl karrieretechnisch als auch persönlich bereichern können und in Zukunft vielleicht den ein oder anderen Rat für dich haben – ganz egal in welche Berufsbahn es dich letztlich verschlägt.
Oft haben wir Angst vor dem Unbekannten und Unerforschten. Befürchtungen und Unsicherheiten sind im Studium – gerade am Anfang – absolut normal. Hier haben wir ein paar kleine Reminder und Mindsets gesammelt, die vielleicht zu deiner Entspannung beitragen können.
„Ich schaffe das und lasse mich nicht von anderen verunsichern“
Fühlst du dich überfordert mit der komplizierten Prüfungsordnung, dem Uni-Alltag oder den ersten Klausuren? Kein Problem, alles ist gut! So geht es gerade vielen, auch wenn sie es nicht zugeben wollen und die eigene Unsicherheit mit großspurigem Angeben und Klugscheißen überspielen. Wenn andere Erst- oder Zweitsemester dir erklären wollen, wie der Hase läuft und was du alles zu lernen und zu wissen hast – hör am besten nicht hin. In den ersten Semestern hat kaum einer den Durchblick und das ist auch okay und genau richtig so.
Wenn die ersten Klausurergebnisse eintreffen und du durchfällst, während der Freundeskreis sehr gut bestanden hat, darfst du dich davon nicht verunsichern lassen. Jura erfordert viel Durchhaltevermögen und „Dranbleiben“. Eine exzellente Leistung im ersten Semester nützt nicht viel, wenn man im nächsten aufgibt, weil man z.B. nicht die Disziplin aufbringen kann, für ein Thema zu lernen, das einen nicht interessiert. Bleib also ganz entspannt und schaue, wie du unter anderem an deinem Stil oder deinem Tempo in Klausuren arbeiten kannst, ohne nach links und rechts zu blicken. Je weniger du dich von anderen verunsichern oder in einen toxischen Konkurrenzkampf mit hineinziehen lässt, desto nachhaltiger werden auch deine Erfolge.
2. „Mein Lerntyp ist individuell und das ist in Ordnung“
Jeder lernt auf unterschiedliche Art und Weise und verarbeitet Informationen unterschiedlich schnell. Wenn KommilitonInnen acht Stunden am Tag lernen und jede Vorlesung vor- und nacharbeiten, muss das nicht der Weg sein, der auch für dich zu deinen gewünschten Ergebnissen im Studium führen wird. Ich habe lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass ich nicht der auditive Lerntyp bin, der aus einer Vorlesung viel für sich mitnehmen kann. Seitdem lerne ich nur noch für mich allein und habe mein eigenes Lernsystem entwickelt, welches keine Vorlesungen und Seminare beinhaltet. Überlege dir, welche Methode für dich am effizientesten ist, ohne dich von Vorgaben der Profs („Ich empfehle Ihnen, diese 500-seitigen Bücher durchzuarbeiten“) und deines Umfelds verunsichern zu lassen. Am Ende zählt deine Zufriedenheit mit deinen Leistungen.
3. „Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt“
Mit Zukunftsängsten à la „Ich schaffe das Examen bestimmt nicht“ und „Diese Stoffmengen werde ich nie beherrschen“ kannst du dir nur das Leben und Studieren schwer machen. Eine Taktik, die mir immer wieder hilft, um aus Angstspiralen herauszukommen, ist der Blick auf das Hier und Jetzt. Ich beschränke mein Gedankenkarussell, indem ich nur die nächste Prüfung oder Hausarbeit vor Augen habe und nicht das „große Ganze“. Schritt für Schritt arbeitet man so seine Stationen im Studium entspannter ab und setzt sich mit dem Examen dann auseinander, wenn es relevant wird.
Lief das letzte Semester nicht besonders gut bei dir? Hast du versucht, dich für einen spannenden Nebenjob oder ein Praktikum zu bewerben und wurdest abgelehnt? Hast du das Gefühl, nicht mehr hinterher zu kommen und abgehängt zu sein? Kein Problem, dann ist dieser Artikel genau das richtige für dich.
Dieses Jahr fing nicht besonders einfach bei mir an. Ich war krank, fiel durch die erste Klausur, schrieb die zweite gar nicht mehr mit und stand kurz davor, meinen Schein für das Semester nicht zu erhalten. Kurz danach bewarb ich mich für einen Nebenjob, der mich sehr interessierte und mir wurde nach dem Vorstellungsgespräch abgesagt. Das war keine tolle Zeit, aber wisst ihr, wie es geendet ist?
Ich habe die dritte Klausur ziemlich gut bestanden und das erste Mal das Gefühl gehabt, das Fach richtig verstanden zu haben. Ein paar Wochen später bewarb ich mich auf eine neue Stelle und wurde ohne Umschweife angenommen: eine Stelle mit mehr Eigenverantwortung und Flexibilität. Übrigens hat sich der erste Arbeitgeber dann noch einmal bei mir gemeldet und wollte, dass ich mich doch für eine weitere Stelle bei ihm bewerbe, aber zu diesem Zeitpunkt war ich bereits sehr glücklich mit meinem neuen Nebenjob.
Was ich euch damit sagen will? Bestimmt nicht, wie gut alles bei mir lief (weil es das teilweise überhaupt nicht tat). Ich will euch damit sagen, dass es in diesem Studium absolut normal ist, hinzufallen und wieder aufzustehen. Wie sagt man so schön:
„Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Meine Freundinnen machen zurzeit genau dieselben Erfahrungen: immer wenn sie irgendwo abgelehnt wurden, haben sie kurz darauf ein besseres Angebot erhalten und waren viel glücklicher. Immer, wenn eine Klausurenphase schlecht lief, war die nächste umso besser.
Die Lehre, die ich daraus gezogen habe, ist, dass ich einfach nicht mehr aufgebe und immer weitergehe, auch wenn es noch so schwierig zu sein scheint. Manchmal kommen zum regulären Unistress auch noch persönliche Probleme hinzu – das sind dann Zeiten, in denen ich versuche, die Uni erst recht nicht aus den Augen zu verlieren. Es nützt nichts, in Selbstmitleid zu versinken und alles restliche schleifen zu lassen.
(Wenn es natürlich wirklich ernst ist, kann man sich immer ein Urlaubssemester nehmen. Wir plädieren immer für Jura-Life-Balance und manchmal muss Life komplett priorisiert werden.)
Falls du das Gefühl hast, aus einem Tief überhaupt nicht mehr rauszukommen, gibt es außerdem an fast jeder Uni die Möglichkeit, kostenlose und unverbindliche psychologische Beratung zu erhalten. Ein solches Angebot anzunehmen ist überhaupt kein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil: Es beweist, dass du deine mentale Gesundheit und deine Zukunft ernst nimmst und bereit bist, etwas dafür zu tun.