Professor Martin Fries war einer der ersten, der in Deutschland eine Vorlesungsreihe zum Thema Legal Tech ins Leben gerufen hat. Neben seiner Lehrtätigkeit veröffentlicht er monatlich den Podcast #Fussnote und hat außerdem mit „Jura-Podcast“ eine Lernplattform geschaffen, mithilfe derer Studierende online ihr Wissen im Privatrecht vertiefen können. Wir haben ihm fünf Fragen rund ums Thema Legal Tech gestellt.
1. In Ihrem Podcast #Fußnote greifen Sie das Thema Legal Tech und Digitalisierung regelmäßig auf. Überdies haben Sie dem Thema Legal Tech eine eigene Vorlesung gewidmet, welche unter anderem auf YouTube verfügbar ist. Woher kommt Ihre Begeisterung dafür?
Ich bin überzeugt, dass uns die Digitalisierung in der Rechtspflege voranbringt. Der Zugang zum Recht wird einfacher, und es gibt eine große Chance, auch die Qualität von Rechtsberatung und Streitentscheidung zu verbessern. Dazu braucht es natürlich geeignete Rahmenbedingungen, über die wir diskutieren müssen: Wo können uns Algorithmen wertvolle Hilfe leisten und wo lassen sie das notwendige Augenmaß vermissen? Spannende Fragen, wie ich finde…
2. Viele Studierende können mit dem Begriff “Legal Tech” bisher nicht besonders viel anfangen. Warum ist das Thema auch für uns Studierende relevant?
In einem modernen Krankenhaus ist der Einsatz von Software bei der Anamnese, Diagnose und Therapie schwerer Krankheiten schon der absolute Standard. Wir Schwarzkittel sind vielleicht noch etwas skeptischer als die Weißkittel, aber die Algorithmen drängen natürlich auch in unsere juristischen Berufe herein. Vertragsgeneratoren, Textanalysesoftware und digitale Subsumtionsassistenten werden in absehbarer Zeit zur juristischen Standardklaviatur gehören. Wer heute Jura studiert, wird diese Helferlein bald mit derselben Selbstverständlichkeit nutzen, wie die Studierenden der letzten Generation heute bei Juris oder Beck Online unterwegs sind. Man kann also abwarten und Tee trinken – oder sich schon mal neugierig anschauen, was es da am Horizont Neues zu entdecken gibt.
Prof. Martin Fries: „Ich denke, dass uns die Digitalisierung von monotonen, repetitiven und damit auch ein Stück weit langweiligen Aufgaben befreit.“
3. Welche Chancen und Risiken sehen Sie in einer zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt, insbesondere für Jurist*innen?
Ich denke, dass uns die Digitalisierung von monotonen, repetitiven und damit auch ein Stück weit langweiligen Aufgaben befreit. Die Zeit einer hochspezialisierten Anwältin scheint mir zu kostbar, um zigtausende Dokumentenseiten nach bestimmten Klauseln zu durchsuchen oder das Formular für ein Testament oder einen Gesellschaftsvertrag zum 200. Mal händisch auszufüllen. Wenn man diese Tätigkeiten in einem Algorithmus abbildet und einer Software anvertraut, bleibt mehr Zeit dafür, der Mandantin zuzuhören und über kreative Lösungen nachzudenken. Natürlich bringt die schöne neue Welt auch neue Herausforderungen mit: Werden wir den Algorithmus eines digitalen Assistenten ernsthaft zu verstehen versuchen? Und selbst wenn wir das tun, werden wir uns die Mühe machen, das vorläufige Prüfungsergebnis der Software noch kritisch zu hinterfragen? Oder werden wir uns faktisch mit einer halbhohen Trefferwahrscheinlichkeit abfinden?
4. Nutzen Sie in Ihrem Alltag bereits Errungenschaften von Legal Tech?
Die Tätigkeit eines Wissenschaftlers ist etwas anders gelagert als die eines Anwalts oder einer Richterin. Während sich in der Rechtspflege die Fälle häufig so oder so ähnlich wiederholen, sucht die Wissenschaft gerade das Neuartige und setzt es in Beziehung zum geltenden Recht. Insofern sind Algorithmen für mich eher Gegenstand meiner Untersuchungen als ein Arbeitsmittel. Juristische Suchmaschinen nutze ich aber natürlich auch.
5. Wenn ich als Studierender einen Einstieg in das Thema finden möchte, wo kann ich mich informieren?
Wer schon im Studium einen Einstieg in das Thema Legal Tech sucht, findet dazu ganz vielfältige Möglichkeiten. Meine Legal-Tech-Vorlesung auf YouTube haben Sie ja freundlicherweise schon erwähnt; die geht übrigens im Sommersemester 2022 in die dritte Auflage. Aber es gibt auch vor Ort an den Unis viele Veranstaltungen zu dem Thema. An jeder zweiten juristischen Fakultät hat sich im Laufe der letzten Jahre eine Legal-Tech-Studierendenvereinigung gegründet. Schaut einfach mal, welche Veranstaltungen die anbieten, da ist wirklich einiges los!
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Herrn Fries für das Interview.
Anna Lübberding ist Psychotherapeutin und Coach und betreibt eine Praxis in Hamburg. Im Interview hat sie mit uns darüber gesprochen, wie man eine Depression erkennt, wann und wo man sich Hilfe suchen sollte und ob eine Therapie die juristische Karriere negativ beeinflussen kann.
Psychotherapeutin Anna Lübberding
Goldwaage:Das Wort “Depression” wird seit einigen Jahren vermehrt inflationär gebraucht. Woran kann ich erkennen, ob ich selbst eine Depression habe? Und was ist der Unterschied zwischen ein paar “schlechten Tagen” und einer klinischen Depression?
Anna Lübberding: Eine Depression geht eben deutlich über ein paar schlechte Tage mit Traurigkeit hinaus. Es müssen verschiedene Kriterien erfüllt und auch ein gewisser Zeitaspekt vorhanden sein, um von einer Depression sprechen zu können. Depression drückt sich bei Menschen unterschiedlich aus: ein Patient von mir beschrieb es mal, als würde man durch ein verregnetes Fenster auf den grauen Himmel schauen, eine Patientin sagte sie fühle sich wie abgeschirmt von der Umgebung; eine andere, dass ihr alles irreal und sinnlos vorkomme. Auch wenn eine Depression viele Gesichter hat, sind die Symptome einer Depression klar definiert (zu finden im ICD-10 der WHO). Es zeigt sich, dass sich eine Depression sowohl psychisch, körperlich als auch emotional bemerkbar macht. Es gibt drei Hauptsymptome:
gedrückte Stimmung/Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, manchmal auch Gefühlslosigkeit
Interessenverlust und Freudlosigkeit
Verminderter Antrieb mit erhöhter Ermüdbarkeit
Dann gibt es noch eine Reihe an Zusatzsymptome wie verminderte Konzentration, vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, Schlafstörungen und/oder verminderter Appetit (in selteneren Fällen auch erhöhter Appetit.) Bei Frauen sind Menstruationsbeschwerden keine Seltenheit, bei Männern leidet oft die Libido und damit die Erektionsfähigkeit.
Aufgrund der Vielfalt der individuellen Variationen wird eine Depression manchmal als solche verkannt. Wenn du eine Kombination dieser Symptome über mindestens 14 Tage oder länger bei dir feststellst, sollte das als Anlass dienen, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Goldwaage: Jura ist ein Studiengang, in dem hoher Druck herrscht. Viele psychisch gesunde Studierende stoßen in der Examensvorbereitung an ihre Grenzen und berichten beispielsweise von Angst und chronischem Stress. Als depressive Person ist es ja möglich, diese Erfahrungen wesentlich intensiver wahrzunehmen. Worauf sollte ich also achten, wenn ich trotz Diagnose ein sehr forderndes Studium wähle?
Es ergibt Sinn, sich einmal genauer die Ursachen einer Depression anzuschauen, um diese Frage zu beantworten. Es spielen sowohl innere als auch äußere Faktoren zusammen – genetische als auch psychosoziale Faktoren. Gegen genetische Faktoren wie z.B. ein erhöhtes Risiko an Depression zu erkranken, wenn jemand in der Familie erkrankt ist, können wir wenig machen. Worauf wir allerdings einen Einfluss haben, ist sich frühzeitig behandeln zu lassen – denn je eher wir handeln, desto besser die Heilungschancen.
Um die Faktoren einer Depression besser zu verstehen, hilft es sich das „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“ näher anzusehen. Das besagt, dass alle Menschen psychisch erkranken können, wenn eine gewisse Belastungsgrenze erreicht ist. Man kann sich das wie ein Fass vorstellen, das unterschiedlich schnell zum Überlaufen gebracht werden kann. Manchmal passt viel Wasser hinein (Klausuren, privater Stress, Trennung, Einsamkeit), manchmal weniger. Jeder Mensch ein hat unterschiedliches Fassungsvermögen („Anfälligkeit/Vulnerabilität“), ist also unterschiedlich belastbar. Um die eigene mentale Gesundheit nun bei einem sehr schweren und stressigen Studium, in dem hoher Druck herrscht, zu schützen, gilt es drauf zu achten dieses Fass nicht zum Überlaufen zu bringen.
Hier hilft es den „Energieräubern“ (Belastungen) „Energiegebern“ (Ressourcen) gegenüber zustellen: kurze Mittagspausen mit Freunden, 10 Minuten Meditieren am Tag, kleine Auszeiten, wie ein schneller Spaziergang um den Block, generell Sport (übrigens das beste Antidepressivum, was es auf dem Markt gibt), Auszeiten, Selbstfürsorge etc.
Oftmals höre ich dann „Ich habe so viel Stress, wie soll ich das noch mit in den Alltag einbringen?“ und dazu erzähle ich immer folgende Geschichte:
Es war einmal ein Holzfäller, der bei einer Holzgesellschaft um Arbeit vorsprach. Das Gehalt war in Ordnung, die Arbeitsbedingungen verlockend, also wollte der Holzfäller einen guten Eindruck hinterlassen. Am ersten Tag meldete er sich beim Vorarbeiter, der ihm eine Axt gab und ihm einen bestimmten Bereich im Wald zuwies. Begeistert machte sich der Holzfäller an die Arbeit. An einem einzigen Tag fällte er achtzehn Bäume. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte der Vorarbeiter. »Weiter so.« Angestachelt von den Worten des Vorarbeiters, beschloss der Holzfäller, am nächsten Tag das Ergebnis seiner Arbeit noch zu übertreffen. Also legte er sich in dieser Nacht früh ins Bett.
Am nächsten Morgen stand er vor allen anderen auf und ging in den Wald. Trotz aller Anstrengung gelang es ihm aber nicht, mehr als fünfzehn Bäume zu fällen. »Ich muss müde sein«, dachte er. Und beschloss, an diesem Tag gleich nach Sonnenuntergang schlafen zu gehen. Im Morgengrauen erwachte er mit dem festen Entschluss, heute seine Marke von achtzehn Bäumen zu übertreffen. Er schaffte noch nicht einmal die Hälfte.
Am nächsten Tag waren es nur sieben Bäume, und am übernächsten fünf. Seinen letzten Tag verbrachte er fast vollständig damit, einen zweiten Baum zu fällen. In Sorge darüber, was wohl der Vorarbeiter dazu sagen würde, trat der Holzfäller vor ihn hin, erzählte, was passiert war, und schwor Stein und Bein, dass er geschuftet hatte bis zum Umfallen.
Der Vorarbeiter fragte ihn: »Wann hast du denn deine Axt das letzte Mal geschärft?« »Die Axt schärfen? Dazu hatte ich keine Zeit, ich war zu sehr damit beschäftigt, Bäume zu fällen.«
Das heißt Energie aufladen ist kein „Nice to have“, sondern ein Muss und steigert sowohl unser Wohlbefinden als auch die Effizienz.
Goldwaage: Was kann ich tun, wenn ich von Schuldgefühlen geplagt werde, weil ich z.B. das Gefühl habe, nicht genug zu lernen?
Schuld ist evolutionstechnisch gesehen ein sehr sinnvolles Gefühl. Wir fühlen uns schuldig, wenn wir denken, etwas nicht gemacht zu haben, obwohl wir es machen sollen. Oder wenn wir etwas getan oder gesagt haben, aber glauben, dass wir es nicht tun oder sagen hätten sollen. Wenn wir also, wie in eurem Beispiel, zu wenig gelernt haben, kann die Schuld uns antreiben, mehr für die Uni zu tun – eine Art Wiedergutmachung zu leisten, was für das Studium förderlich ist.
Wenn die Schuld allerdings zum ständigen Begleiter wird, wird es problematisch, denn dann wirkt das Gedankenkarussell blockierend. Es führt dazu, dass wir die Freizeit nicht mehr entspannend erleben, und kann zu Schlafstörungen führen.
Ich finde es in dieser Situation hilfreich festzulegen, was „genug gelernt“ bedeuten soll. D.h. einen klaren Lernplan zu schreiben, der realistisch und machbar ist, in dem Pausen und Puffertage vorkommen, in dem das zu lernende Themengebiet über Wochen aufgeteilt ist und hier Schwerpunkte gesetzt werden. Was ist das nötigste und was würde ich noch lernen falls ich „gut durchkomme“? Klarheit hilft nämlich bei diffusen, unbegründeten Schuldgefühlen Abhilfe zu leisten.
Des Weiteren kann es helfen, mit anderen darüber zu sprechen, um einen kurzen Stopp im Gedankenkarussell einzulegen und sich nicht weiter in quälenden Schuldgedanken zu verfangen. Sei gnädig mit dir, wir sind keine Maschinen, die ständig auf 110 Prozent laufen. Manchmal kommt man eben gut durch, und manchmal nicht.
„Sei gnädig mit dir, wir sind keine Maschinen, die ständig auf 110 Prozent laufen.“
Psychotherapeutin Anna Lübberding
Ich erlebe es auch als hilfreich, sich klar zu machen, dass wir eben verschiedene Bedürfnisse haben, was auch gut und gesund ist. Das kann dann eben bedeuten, dass wir statt zu lernen doch mal mit ins Café fahren – und das darf auch so sein.
Goldwaage: Wie kann ich lernen, mit Niederlagen im Studium umzugehen und resilienterzu werden?
Du hast etwas ausprobiert und es hat nicht geklappt – das passiert eben. Manchmal mühen wir uns ab und dennoch bestehen wir die Klausur nicht. Das kann das Selbstwertgefühl mit voller Wucht treffen.
Ich finde es hilfreich, es anzunehmen und genau zu schauen, woran es gelegen hat. Blackout? Zu wenig gelernt? Das „falsche“ gelernt? Momentan viele andere private Themen? Und je nachdem kann man dann handeln. Wenn du beispielswiese gerade eine Trennung hinter dir hast, dann ergibt es keinen Sinn, sich auch noch wegen einer verpatzen Klausur zu geißeln. Oder vielleicht bist du gerade erst neu in die Stadt gezogen und brauchtest deine Energie, um dich zurecht zu finden und neue Freundschaften aufzubauen. Deine Priorität ist eben nicht immer und nur das Studium. Akzeptanz ist hier das Stichwort.
Es kann auch helfen, sich Erfolge und Stärken aufzuschreiben, um sich noch einmal vor Augen zu führen, dass wir so viel mehr sind als nur diese eine verpatzte Klausur.
Goldwaage: Wenn ich als Studierender vermute, dass ich an Depressionen leide, an welche Stellen kann ich mich wenden?
Die psychologischen Beratungsstellen der Uni sind eine gute Anlaufstelle, um eine erste Orientierung zu bekommen und sind ein kostenfreies Angebot der Universitäten. Alternativ kann man sich auch an andere Beratungsstellen der Diakonie beispielsweise, den sozialen Krisendienst oder an PsychotherapeutInnen wenden.
Goldwaage: Einige Studierende befürchten, Nachteile (z.B. bei Krankenkassen oder im Beruf) zu erhalten, wenn sie sich in Therapie begeben. Was würden Sie diesen Studierenden raten?
Die „Nachteile“ werden bei weiten überschätzt. PsychotherapeutInnen unterliegen der Schweigeplicht. Das bedeutet, dass wir nur Auskunft geben dürfen, wenn wir von dem Hilfesuchenden von der Schweigepflicht entbunden werden, weswegen einige auf Selbstzahlerbasis anfangen. Gesetzlich Versicherte haben keinen Nachteil zu erwarten, da die Krankenkasse niemanden aufgrund von Krankheit ausschließen darf. Des Weiteren sind den Krankenkassen auch nicht die Inhalte der Therapie bekannt, sondern lediglich die Diagnose.
Nachteile kann es manchmal bei dem Wechsel in eine private Krankenkasse geben (Risikozuschlag) oder bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Dabei wird von privaten Krankenversicherungen bei den Gesundheitsfragen ein Zeitraum von 5 bis 10 Jahren abgefragt. Wenn also ein Wechsel in die private Krankenkasse ansteht, ergibt es Sinn, diesen abzuwarten oder eben einen Risikozuschlag zu zahlen. Letzterer sollte eher in Kauf genommen werden, anstatt eine psychische Erkrankung weiter chronifizieren zu lassen.
Bei der Verbeamtung gibt es glücklicherweise seit einigen Jahren eine Beweislastumkehr – man muss also dem Amtsarzt/Ärztin nicht beweisen, dass man arbeitsfähig ist, sondern dieser müsste beweisen, dass die Person aufgrund von einer z.B. depressiven Episode, die vor Jahren geheilt wurde, nicht verbeamtet werden könne. Das ist sehr unwahrscheinlich.
Wir danken Frau Lübberding ganz herzlich, dass sie sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten. Falls ihr mehr von ihr sehen möchtet, schaut unbedingt einmal auf ihrem Instagram Kanal @frag_die_psychotherapeutin_ vorbei.
Den Monat Dezember nutzen wir dazu, euch neue StartUps und Vereine im juristischen Bereich vorzustellen. Heute freuen wir uns darüber, euch Legally Female zu präsentieren.
Legally Female wurde von Ann-Kathrin Ludwig, Marcelina Puchalski und Felicitas Famulla ins Leben gerufen. Die drei haben sich zum Ziel gesetzt, ein Netzwerk für angehende Juristinnen zu gründen, in dem der vorurteilsfreie Austausch über das Studium und Karriereoptionen im Vordergrund steht.
Goldwaage:Wer steckt hinter Legally Female und wie kamt ihr auf die Idee, das Netzwerk zu gründen?
Legally Female: Wir sind drei Gründerinnen – Ann-Kathrin Ludwig, Marcelina Puchalski und Felicitas Famulla. Ann-Kathrin hatte seit Jahren den Wunsch, Legally Female zu gründen und hierbei andere Juristinnen auf dem Weg zum Erfolg zu unterstützen. Hierbei hat sie sich Marcelina Puchalski, die bereits zweifach erfolgreich gegründet hat und Felicitas Famulla, welche seit Jahren neben ihrer juristischen Tätigkeit im Social Media Bereich tätig ist, ins Boot geholt.
Die Idee kam aus der langjährigen beruflichen Erfahrung in diversen Kanzleien und anderen juristischen Tätigkeiten, wo wir gemerkt haben, wie sehr wir selbst dazu neigen, uns zu wenig zuzutrauen und unsere Leistungen nicht objektiv zu bewerten und dass Förderung meistens erst dann ermöglicht wird, wenn man bereits objektive Kriterien für diese aufweist.
Marcelina Puchalski, Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla
Goldwaage: Was sind die Hauptziele eures Projekts?
Gemeinsam wollen wir die Förderung angehender Juristinnen ohne Wenn und Aber ermöglichen. Wir glauben fest daran, dass die Rechtswissenschaft starke Juristinnen braucht und wollen den juristischen weiblichen Nachwuchs ermutigen, ihr Potential vollkommen auszuschöpfen.
Natürlich ist es beeindruckend, wenn juristischer Nachwuchs gute Noten, spannende Lebensläufe und beeindruckende Praktika und erste Berufserfahrungen aufweisen kann. Wir wollen von diesen objektiven Kriterien jedoch nicht die Förderungsmöglichkeit abhängig machen und für die Bildungsgleichheit kämpfen. Es ist für uns gerade nicht Voraussetzung, einen beeindruckenden Lebenslauf und herausragende Noten aufweisen zu können, sondern wir wollen mit der Förderung frühzeitig beginnen – ab dem ersten Semester. Dadurch soll kein Potential verloren gehen und dem entstehenden Förderbedarf Rechnung getragen werden.
Goldwaage: Wie sieht eine Förderung durch euch konkret aus? Angenommen man ist Jurastudentin im ersten Semester und meldet sich bei euch – wie geht es dann weiter?
Unsere Förderung beruht auf drei Grundsäulen.
Die Hauptsäule ist das LF (Legally Female) Mentoring. Zunächst bewirbt sich eine potentielle Mentee bei uns per E-Mail. Daraufhin wird ein kurzes, unbürokratisches Vorstellungsgespräch geführt, um zu schauen, ob eine etwaige Zusammenarbeit persönlich passt. Das Grundkonzept von Legally Female ist kostenlos und unbürokratisch. Durch die Informationen aus dem Bewerbungsverfahren führen wir ein passendes Pairing mit einer geeigneten Mentorin durch und geben beiden einen Mentoring-Leitfaden mit an die Hand. Zudem veranstalten wir eine Einführungsveranstaltung – sowohl für Mentorinnen als auch Mentees, damit die Eckpfeiler des Programms transparent umrissen werden. Aus der persönlichen Mentorin-Mentee-Beziehung halten wir uns aber natürlich heraus, um ein Safe-Space-Networking zu gewährleisten. Sollte es aus irgendeinem Grund Probleme geben, stehen wir natürlich immer als Ansprechpartner parat.
Ansonsten wird es noch das LF Developing und LF Networking geben.
Im Rahmen des LF Networking bieten wir einen Safe-Networking-Space im Rahmen einer geschlossenen Linked-In Gruppe, wo ein vertrauensvoller Austausch über sensible Themen und ein regelmäßiger Austausch mit inspirierenden Persönlichkeiten stattfindet.
Im Rahmen des LF Developing veranstalten wir – teils kostenpflichtige – Workshops mit spannenden Speakern, die nicht nur Mentorinnen und Mentees, sondern allen offensteht.
Goldwaage: Wie schafft ihr es, jeweils euren Hauptberuf und eure Firma unter einen Hut zu bringen?
Bisher klappt das noch ganz gut, weil wir alles auf die Wochenenden, frühen Morgenstunden und späten Abendstunden legen. Unsere Hauptjobs sind nicht von Legally Female betroffen, obwohl wir durch unsere Arbeitgeber sehr viel Unterstützung erfahren.
Goldwaage: Durch die gemeinsame Arbeit an Goldwaage wissen wir, dass es manchmal kompliziert ist, bei allen Abläufen Rücksprache zu halten und immer die Meinung des anderen einzuholen. Wie koordiniert ihr euer Unternehmen zu dritt? Habt ihr fest zugewiesene Arbeitsbereiche?
Da wir noch ganz am Anfang stehen, läuft das Ganze bisher ausschließlich unter uns dreien durch E-Mails und Whatsapp ab. Dadurch stehen wir täglich in engem Austausch und sind auch privat eng verbunden.
Goldwaage: Wo seht ihr Legally Female in der Zukunft?
Legally Female soll die Rolle der Frau in der Rechtswissenschaft stärken und einen umfassenden Überblick über die möglichen Berufsbilder in der Juristerei bieten. Wir freuen uns auf alles, was noch kommt und bereiten uns bereits auf die ersten Präsenzveranstaltungen und -workshops vor.
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An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bei Ann-Kathrin, Marcelina und Felicitas bedanken und wünschen ihnen noch viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Visionen in der Zukunft.
Falls ihr Legally Female weiter mitverfolgen wollt, gelangt ihr hier zum dazugehörigen Instagram-Account.
Max und Daniel haben vor kurzem ihr zweites juristisches Staatsexamen absolviert. Schon während des Referendariats hatten die beiden eine Idee für Lexoni, eine Website, auf der Laien Auskunft zu juristischen Fragen erhalten und sich außerdem über eine Vermittlungsplattform passenden Rechtsbeistand suchen können.
Goldwaage: Eure Website verbindet die laienfreundliche Erklärungen von juristischen Themen mit einer Suchplattform für AnwältInnen. Wie seid ihr auf die Idee für dieses Konzept gekommen? Lexoni: Zunächst einmal macht es uns Spaß, alltägliche rechtliche Themen auch für Laien verständlich zu erklären. Die meisten Juristen dürften die Situation kennen, dass sie aus dem Freundes- und Bekanntenkreis öfter mal beiläufig zu einem juristischen Thema befragt werden. Uns war also klar, dass der Bedarf für unsere Erklärungen da ist. Hinzu kommt, dass Antworten auf rechtliche Fragen, die man im Internet in der Regel findet, häufig eher oberflächlich ausfallen. Das wollen wir mit Lexoni besser machen.
Dazu kam uns dann der Gedanke, dass wir neben den Artikeln in unserem Magazin auch eine Plattform für Anwälte und auch Steuerberater etablieren wollen. Denn wir können mit unseren Erklärungen zwar einige juristische Tipps geben, aber natürlich keine umfassende Rechtsberatung liefern.
Ihr habt beide vor kurzem euer zweites Staatsexamen hinter euch gebracht. Arbeitet ihr auch in einer Kanzlei (oder ähnliches)? Max arbeitet mittlerweile im IT- und Datenschutzrecht bei einer Hamburger Großkanzlei. Daniel absolviert momentan einen LL.M. und kümmert sich daneben um das Tagesgeschäft bei Lexoni.
Außerdem schreibt ihr gerade jeweils an eurer Promotion. Worüber promoviert ihr? Und ist es schwer, das mit Lexoni unter einen Hut zu bringen? Max promoviert zu einem strafrechtlichen Thema. Daniel promoviert zu einem rechtsvergleichenden Thema im internationalen Schiedsverfahrensrecht. Beide Arbeiten befinden sich zum Glück im Endstadium.
Wir sind es beide gewohnt, neben der Promotion zu arbeiten und weitere Projekte zu verfolgen. Das ist sicher nicht immer ganz einfach miteinander zu vereinbaren und unsere Promotionszeit ist dadurch natürlich länger als bei anderen geworden. Allerdings haben wir durch Lexoni und andere Projekte die Möglichkeit, auch über den Tellerrand der Unis und juristischen Bibliotheken hinauszuschauen.
Von der ersten Idee bis zum Launch – wie lange dauerte es bis zur Veröffentlichung von Lexoni? Tatsächlich gar nicht so lange. Die Idee in der jetzigen Form entstand im Frühjahr 2021, im Juni 2021 sind wir mit der Seite dann schon online gegangen.
Lexoni ist ja noch relativ jung. Was ist eure Vision für die Zukunft? Wir wollen uns zum einen als ernstzunehmende Plattform für Anwälte und Steuerberater etablieren und diesen dabei helfen, neue Mandanten zu gewinnen. Umgekehrt sollen natürlich Ratsuchende über uns passende Anwälte oder Steuerberater finden. Zum anderen wollen wir Antworten auf rechtliche Fragen liefern, die jedermann bewegen. Dabei ist es uns wichtig, Beiträge nicht nur juristisch präzise und korrekt, sondern auch leicht verständlich zu verfassen. Wir glauben, dass Lexoni so zu einer zentralen Anlaufstelle für all diejenigen werden kann, die Antworten auf rechtliche oder steuerliche Fragen suchen.
Ihr habt beide sowohl das Jurastudium als auch eine Gründung hinter euch. Welchen Tipp würdet ihr Studierenden geben, die ebenfalls ihr eigenes Startup gründen wollen? Tatsächlich ist Lexoni schon unsere zweite Gründung. Seit 2017 haben wir bereits den deutschlandweit größten Transfermarkt im Amateurfußball, Transferiva, aufgebaut.
„Wir können es absolut empfehlen, sich neben Jura auch nich einem anderen Projekt zu widmen“
Wir können es absolut empfehlen, sich neben Jura auch noch einem anderen Projekt zu widmen, zum Beispiel in Form einer eigenen Gründung. Wenn ihr also eine gute Idee habt, dann am besten einfach mal machen. Ob es dann funktioniert, hängt von ganz vielen Dingen ab und ist häufig nicht planbar. Aber der Spaß und Lerneffekt dabei sind unbezahlbar, ganz egal, ob das Startup letztlich erfolgreich wird oder nicht!
Wir bedanken uns bei Max und Daniel für das spannende Interview. Klick hier, wenn du direkt auf die Lexoni-Website gelangen möchtest.
Aurelio Diamanti ist Jurastudent in Heidelberg und hat sich schon zu Beginn seines Studiums für technische Innovationen im juristischen Bereich interessiert. Im Sommer 2020 gründete er den Verein DisrUPt Law e.V., um ein Angebot zu schaffen, bei dem sich Studierende zum Thema Legal Tech austauschen und weiterbilden können.
Wir haben mit ihm über Digitalisierung, die Gründung eines studentischen Vereins und die Zukunft des Rechts geredet.
Goldwaage: DisrUPt Law ist ein studentischer Verein, der sich mit Legal Tech beschäftigt. Was ist denn eigentlich Legal Tech? Aurelio: Legal Tech per se ist noch nicht richtig definiert. Wir schließen uns der gängigsten Definition an, dass es darum geht, juristische Arbeitsprozesse durch Nutzung der Digitalisierung und moderner Technologien zu rationalisieren und der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen.
Das kann so aussehen, dass ich als Anwalt die Digitalisierung nutze, um meine Dienstleistungen der Öffentlichkeit leichter zugänglich zu machen. Das geht zum Beispiel, indem ich einen Vertragsgenerator erstelle. Oder mithilfe von Chatbots, die MandantInnen nutzen können, um erste Fragen abzuklären und ein besseres Bild zu bekommen. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist FlightRight.
Legal Tech kann auch so aussehen, dass eine Großkanzlei große Mengen an Vertragsdaten analysiert, um die besten Klauseln für künftige Verträge zu finden. Legal Tech ist also die Digitalisierung der juristischen Arbeit selber.
Wie bist du darauf gekommen, den Verein zu gründen? Ich habe schon früh im Studium gemerkt, dass Apps und ein gewisses Verständnis von Technik den Studienalltag unheimlich vereinfachen können. So habe ich schon 2019 Kommilitonen gezeigt, wie man digital lernen kann, zum Beispiel mit digitalen Karteikarten. Zeitgleich war ich bei einem Legal Tech Start-Up in in Heidelberg für ein Praktikum. Dort habe ich sehr viel zu Legal Tech mitbekommen, da auch der Gründer sehr aktiv in der Szene ist. Insgesamt habe ich gemerkt, dass im Bereich der Digitalisierung allgemein und im Legal Tech-Bereich sehr viel passiert.
Die Digitalisierung birgt viel Potenzial für Studierende: Sowohl für das Studium als auch für die beruflich Zukunft. Aber es gibt im juristischen Studium eigentlich kaum etwas dazu.
Im Februar 2020 habe ich dann gesehen, dass es Legal Tech Initiativen an anderen Unis gibt. Da dachten einige Kommilitonen und ich: warum nehmen wir das als Studierende nicht einfach selbst in die Hand und schaffen einen Rahmen, in dem sich Jurastudierende mit der Digitalisierung auseinandersetzen können?
Was genau macht ihr bei DisrUPt law? DisrUPt law ist eine Vereinigung von Studierenden jeglichen Wissenstands im Bereich Digitalisierung, die selber mehr über die Digitalsierung (des Rechts) lernen wollen, erlangtes Wissen schon im Studium anwenden möchten und andere Studierende für die Themen der Zukunft begeistern möchten. Es war von Anfang an klar, dass wir sowohl Leute abholen wollen, die schon viel Wissen mitbringen wollen, als auch Leute, die gar kein Hintergrundwissen mitbringen.
Dort können Studenten sich einerseits fachlich mit der Materie der Digitalisierung im Recht allgemein auseinandersetzen, aber auch mit der sich verändernden Rechtspraxis, in der sich die Sachverhalte mehr und mehr ändern. Vor allem wollen wir durch Veranstaltungen Studierenden die Möglichkeit geben, sich mit der Digitalisierung und Legal Tech auseinander zu setzen und sich in dem Bereich aktiv weiterzubilden.
Hierdurch schließen wir die Lücke, die momentan zwischen juristischer Praxis und einer immer digitaler werdender Gesellschaft auf der einen Seite und der juristischen Ausbildung auf der anderen Seite besteht. Denn durch disrUPt können (Jura-)Studierende sich schon im Studium in der Digitalisierung des Rechts weiterbilden, ohne irgendwo Mitglied sein zu müssen oder Geld zu bezahlen.
Ihr sitzt in Heidelberg. Kann man bei euch auch mitmachen, wenn man woanders studiert? Der Stamm und die meisten Mitglieder sitzen in Heidelberg. Aber wir arbeiten digital, einige unserer Mitglieder sind derzeit auch im Ausland oder leben außerhalb von Heidelberg. Deshalb ist unser Credo: Jeder in ganz Deutschland kann mitmachen. Das geht ja dank der Digitalisierung. Wir haben vereinzelt Präsenzveranstaltungen, bei denen wir versuchen, dass die Mitglieder von außerhalb in Heidelberg untergebracht werden. Wir sehen das als Bereicherung, dass Mitglieder dabei sind, die nicht aus Heidelberg kommen. Hierdurch können alle den eigenen Horizont erweitern.
Wo siehst du DisrUPt law in der Zukunft? Wir haben es in den letzten Jahren schon ganz gut etabliert, Wissen an Studierende heranzutragen. Ein Meilenstein war unsere erste “Akademie” mit dem Oberthema “Alternative Karrierewege für Juristen und Juristinnen”, bei der es verschiedenen Seminare gab, um tiefgreifendes Wissen im Bereich Unternehmertum, Gründung von (Legal Tech) Start-Ups und der Arbeit als Legal Engineer zu vermitteln. Im Zentrum stand die Frage, welche Möglichkeiten für Juristinnen außerhalb des klassischen Anwaltsberufes gibt. Die AbsolventInnen erhalten auch ein Zertifikat, auf dem die Experten, die wir eingeladen haben, die Teilnahme bestätigen.
Unser nächstes Ziel ist, neben der Wissensvermittlung – die kostenlos und für alle zugänglich bleiben soll – das Gelernte auch aktiv anzuwenden. Hier erarbeiten wir gerade ein Konzept mit Unterstützung aus der Praxis, von dem ich aber noch nicht zu viel berichten darf.
Und wo siehst du die Zukunft des Legal Techs? Ich bin der Auffassung, dass wir noch ganz am Anfang sind, auch wenn Legal Tech sehr viele Fortschritte macht. Obwohl es schon viele Initiativen dazu deutschlandweit gibt, merkt man, diplomatisch ausgedrückt, eine gewisse Technologie-Ferne, die gerade noch im juristischen Studium und juristischen Berufen besteht.
„Bisher merkt man die Tendenz noch sehr stark: Jurastudierende – Buch, Stift, Papier, andere Studierende – Laptop und moderne Apps.“
Aurelio Diamanti
Bisher merkt man die Tendenz noch sehr stark: Jurastudierende – Buch, Stift, Papier, andere Studentierende – Laptop und moderne Apps. Selbstverständlich bringen andere Studiengänge auch andere Herausforderungen als das Jurastudium mit sich, die technologischer Lösungen bedürfen. Aber auch der klassiche Jurastudierende kann von Technik profitieren.
Deshalb sehe ich in den nächsten Jahren einen großen Mentalitätsshift, einfach durch die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bringt.
Dazu kommt eine gewisse Öffnung in der Rechtsausbildung, indem zum Beispiel mehr Materialien gut zugänglich sind. Dadurch wird das Rechtswissen der Allgemeinheit und auch den Studierenden besser zugänglich, was ich sehr begrüße. Aber ich sehe auch eine große Entwicklung, dass schon existierende Rechtspraktiker sich sehr viel weiterbilden müssen, um die komplexen Probleme der Zukunft zu verstehen. Um zum Beispiel künstliche Intelligenz, Blockchain und alles was damit einhergeht zu verstehen, reicht es nicht nur, Grundlagenwissen zu haben. Dafür wird es Juristen brauchen, die sich tief mit Technologie auskennen und einerseits das Recht anwenden können und andererseits das Recht schaffen können, um den Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft gerecht zu werden.
Auch im Rechtsmarkt sehe ich einiges an Wandel. Aus meiner subjektiven Perspektive gibt es eine junge Generation an heranwachsenden AbsolventInnen, die einen gewissen Schwung in die Praxis bringen werden.
Zusammenfassend sehe ich einen ganz großen Transformationsprozess in unsere Gesellschaft und auch speziell im juristischen Bereich. Und dieser Transformationsprozess birgt natürlich für jeden Jurastudierenden eine Chance. Deshalb würde ich auch jeden Jurastudierenden ermutigen, sich mehr mit Technologie und Digitalem auseinandersetzen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Aurelio für das spannende Interview. Mehr zu DisrUpt Law findet ihr auf der Website und auf Instagram @disrupt_law.
Diesen Monat hatten wir die Chance, Arian Birth zu interviewen.
Er ist 23 Jahre alt, kommt aus Stralsund und hat sein Jurastudium an der Universität Greifswald mit einer zweistelligen Note abgeschlossen.[1] Seinen Schwerpunkt legte er in „Europarecht und Rechtsvergleichung“ ab und absolvierte zusätzlich ein Auslandssemester in Lund, Schweden.
Wir sind sehr froh darüber, dass wir ihm eure vielen Fragen zu seinem Examen stellen durften, die ihr uns über Instagram zukommen lassen habt. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Arian, vielleicht fangen wir ganz vorne an: wie kamst du überhaupt dazu, Jura zu studieren?
Ich habe tatsächlich vor dem Jurastudium ein Semester lang BWL studiert, aber das war mir zu mathelastig. Danach musste ich mich umorientieren und habe überlegt „Eigentlich interessierst du dich sehr für gesellschaftliche Themen, Politik, Wirtschaft.“ Ich wollte etwas studieren, bei dem ich das Gefühl hatte, das größere Ganze überblicken zu können und da schien mir Jura eine gute Wahl zu sein. Außerdem fand ich Jura sehr praxisbezogen, da man von Tag eins an Dinge lernt, die man auch in seinem Alltag gut gebrauchen kann.
Wie waren deine Noten im Studium?
Am Anfang mittelmäßig. In meiner ersten Hausarbeit hatte ich 4 Punkte. Bis zur Zwischenprüfung hatte ich so meine Startschwierigkeiten. Je mehr ich aber gelernt und verstanden habe, desto besser wurden auch die Noten.
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, abzubrechen?
Ich glaube jeder von uns hat sich diese Frage schon gestellt, und nicht nur ein Mal (lacht). Es gab häufiger Zeiten, gerade in Richtung der großen Scheine, in denen ich mich überfordert gefühlt habe und mich gefragt habe „Warum mache ich das hier überhaupt?“. Auch in der Examensvorbereitung gab es Momente, die schwierig waren, aber ich bin einfach drangeblieben. Das war auch sehr gut so, denn irgendwann kommt immer eine gute Note in einer Probeklausur, die einen weiter motiviert.
Hast du in Regelstudienzeit studiert?
Ja, ich habe nach neun Semestern mein Examen geschrieben. Ich hatte Glück, dass ich relativ schnell durch die Übungen kam und nichts wiederholen musste. Dazu muss ich aber auch sagen, dass meine Examensvorbereitung vergleichsweise kurz war.
Wie lang war deine Examensvorbereitung?
Ich kam damals aus dem Auslandssemester und wollte gerne möglichst schnell fertig werden, da das permanente Lernen schon sehr anstrengend war. Ich habe mir deshalb einen Examenstermin herausgesucht, der für mich machbar wirkte und das war dann der für April 2021. Ich habe mir quasi bis Weihnachten eine Frist gesetzt, bis zu der ich mich endgültig entscheiden musste, ob ich zum Examen antrete und wollte diese Entscheidung dann von den Ergebnissen der Probeklausuren abhängig machen. Im Endeffekt habe ich mich acht Monate lang intensiv auf das Examen vorbereitet. Dazu muss ich sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon vieles ausgearbeitet hatte und fast die gesamte Zeit nur zum Lernen nutzen konnte. Ich habe versucht, mir so viel wie möglich während der großen Übungen an Wissen anzueignen, um dann später eine gute Grundlage für die Examensvorbereitung zu haben.
Hast du digitale oder analoge Notizen benutzt?
Ich habe alles auf eigenen Karteikarten notiert. Im ersten Semester hatte mir eine Seminarleiterin zu Karteikarten geraten und diesen Rat habe ich dann befolgt. Dazu hatte ich noch extra Definitionskarteikarten, das müssten allein schon mindestens 350 gewesen sein…
Digitale Notizen waren nicht meins, da ich die Karteikarten gerne in der Hand halte beim Lernen.
Wie war deine Lernroutine im Examen?
Ich habe morgens mit 20 Minuten Definitionenlernen angefangen. Danach habe ich eine Lösungsskizze für einen Fall erstellt und die Skizze dann mit der Musterlösung abgeglichen. Den Rest des Tages bin ich dann meine Karteikarten durchgegangen: also Schemata, Streitstände, etc. Insgesamt habe ich pro Tag ca. acht Stunden lang gelernt, mit zwischenzeitlichen Pausen.
Hattest du einen Lernplan?
Die Lernpläne, die ich z.B. im Internet gefunden habe, waren alle nicht auf die kurze Zeitspanne ausgelegt, in der ich mich vorbereitet habe. Daher habe ich mir als eigenen Lernplan festgelegt, dass ich jede Woche alle Stoffgebiete bearbeite, sodass ich im Stoff bleibe. Zwei bis zweieinhalb Tage die Woche habe ich mich mit Zivilrecht beschäftigt, dann zwei Tage mit öffentlichem Recht und ca. einen Tag mit Strafrecht. Samstags habe ich Probeklausuren im Examensklausurenkurs meiner Universität geschrieben, insgesamt waren es vielleicht 15 Probeklausuren.
An einem Tag in der Woche war ich beim Öffrecht-Repetitorium meiner Uni, aber ich habe kein privates Repetitorium besucht. Öffentliches Recht war eigentlich nie meine Stärke, daher brauchte ich da mehr Input als in den anderen Fächern. Den Rest des Stoffs habe ich mir über Bücher mehr oder weniger selbst beigebracht, da ich nicht der Typ für Vorlesungen war. Einen Tag in der Woche habe ich mir komplett frei genommen.
Eine Lerngruppe hatte ich nur für den Schwerpunkt, aber nicht für das Examen selbst.
Ich habe inhaltlich in der Examensvorbereitung ganz bewusst mit BGB AT gestartet und habe nicht erst bei den Spezialgebieten angefangen zu lernen, um die Themen wirklich von Grund auf zu verstehen.
Was Lernpläne angeht, muss man da wirklich schauen, dass man für sich einen individuellen Lernplan erstellt und nicht danach schaut, was von irgendjemand anderem vorgegeben wurde.
Welche Materialien kannst du empfehlen (Bücher, Zeitschriften, Skripte)?
Ich habe viel mit den Übungsklausuren der JuS gearbeitet, die haben mir gefallen. Mit dem Klausurenfinder habe ich mir dann speziell Klausuren zu den Themengebieten herausgesucht, die ich gerade bearbeitet habe. Die ZJS fand ich auch sehr gut, die Zeitschrift ist online frei abrufbar. Dort sind wirklich extrem anspruchsvolle Klausuren dabei – wer die gut lösen kann, braucht vor dem Examen wirklich keine Angst zu haben. Was Bücher angeht, habe ich viel mit den Büchern aus dem Nomos-Verlag gearbeitet. Das Nomos-Lehrbuch von Faust zum BGB AT kann ich z.B. sehr empfehlen.
Spezielle Probleme habe ich in der Examensvorbereitung gerne im Kommentar nachgelesen, am liebsten im Beck-Onlinekommentar, da er sehr verständlich geschrieben ist und man darauf so einfach zugreifen konnte.
Was war dein Lieblingsrechtsgebiet?
Ich habe sehr gerne Europarecht gemacht. Ansonsten war Zivilrecht mein Lieblingsgebiet.
Was würdest du im Rückblick anders machen und was hat gut funktioniert?
Rückblickend hätte ich vielleicht ein bis zwei Monate länger für das Examen lernen können, da es schon eine stressige Zeit war. Insgesamt war aber meine Lernstrategie auf mich persönlich optimal zugeschnitten und ich war mit dem Ergebnis so weit zufrieden.
Was aber gut funktioniert hat, war es, mir ca. alle fünf bis sechs Wochen die gesamten Karteikarten in dem jeweiligen Rechtsgebiet anzuschauen und zu wiederholen. Wenn man das nicht tut, vergisst man den Stoff leider sehr schnell.
Wie waren die letzten Wochen vor dem Examen für dich?
In den letzten zwei Wochen habe ich versucht, nichts mehr für Jura zu machen und mir die Dinge nur noch einmal im Kopf zurechtzulegen und zu ordnen. Ich war kaputt und hatte das Gefühl, dass wenn ich mir nicht endlich mal die Zeit nehme, um runterzukommen und mich mental auf die Situation vorzubereiten, dass es dann schiefgeht. Ich glaube, wenn man bis zum letzten Tag noch lernt, ist man zu nervös und im Kopf nicht frei genug für die Klausur. Ich habe mich dann mit ein paar Freunden getroffen, habe ausgeschlafen und Netflix geschaut. Das hat mir wirklich sehr geholfen.
Hattest du die Erwartungshaltung, ein Prädikatsexamen zu schreiben?
Natürlich wünscht man sich das… Ich wollte das gerne schaffen. Ich hatte auch ein paar gute Probeklausuren geschrieben. Dadurch wusste ich, dass es theoretisch möglich wäre, so ein Ergebnis zu erzielen. Ich wusste aber auch, dass meine Vorbereitung sehr kurz war und viel an Normalität und Präsenz an der Uni durch Corona weggefallen war. So ca. acht Punkte insgesamt waren vorher mein Ziel. Hätte ich das nicht geschafft, hätte ich vermutlich die Möglichkeit genutzt, mich zu verbessern, da das ja mein Freiversuch war.
Mit welchem Gefühl bist du in die Examensklausuren reingegangen?
Vor der ersten Klausur waren wir natürlich alle sehr nervös. Ich habe mir gedacht „Oh Gott, wie wird das hier wohl heute?“. Man kennt die Situation einfach nicht und kann sie auch im Kopf vorher nicht durchspielen. Letztendlich versteht man erst, wie es ist, wenn man selbst dort gesessen hat. Ich habe versucht, mich darauf zu besinnen, dass meine Probeklausuren ganz gut gelaufen sind und dass ich sehr viel gelernt habe. Ich hatte eine ganze Zeit lang vor der endgültigen Anmeldung zum Examen das Gefühl „Ich weiß nicht genug. Das wird jetzt nichts…“ – das war eigentlich das viel schlimmere Gefühl. Als ich mich dann dazu entschieden hatte, anzutreten, war ich relativ entschlossen, dass das jetzt irgendwie klappen muss. Ich wollte einfach nur noch, dass es endlich losgeht.
Wie ging es dir nach der letzten Klausur?
Die letzte Klausur war wirklich nicht schön, ich war dort sehr in Zeitbedrängnis. Als ich dann aus dem Raum rausging, habe ich gemerkt, wie die komplette Anspannung von mir abgefallen ist. Ich hatte danach so ca. drei Wochen lang nicht viel mit Jura zu tun, sondern war viel unterwegs und habe meine Familie und Freunde besucht; also alles nachgeholt, was ich in der Zeit davor nicht geschafft habe.
Wie geht es jetzt beruflich für dich weiter?
Ich habe mich dafür entschieden, erst einmal an der Universität Greifswald zu bleiben und arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Schinkels am Lehrstuhl. Ich bin gerade dabei, meine Doktorarbeit im Internationalen Privatrecht vorzubereiten. Wahrscheinlich wird es für mich langfristig in Richtung Anwaltschaft gehen. Aber meine Pläne für die Zukunft würde ich noch als entwicklungsoffen beschreiben.
Welchen Tipp möchtest du unseren LeserInnen abschließend geben?
Fürs Examen würde ich den Tipp geben, dass man sich nicht zu sehr verunsichern lassen darf von dem, was andere machen. Man muss für sich selbst herausfinden, was für einen gut funktioniert und was nicht.
„Ich habe gelernt, dass man nie alles können kann. Und davon darf man sich nicht entmutigen lassen.“
Das ist ganz wichtig. Was ich außerdem für das persönliche Leben empfehlen kann: ich würde probieren, wenigstens an einem Tag in der Woche ein bisschen Abstand von Jura zu bekommen und etwas anderes zu machen. Man darf sich nicht verrückt machen lassen von dem, was andere sagen oder was man so liest.
Erstsemestern kann ich nur empfehlen, irgendwo mit dem Lernen anzufangen und einfach weiterzumachen. So banal es klingen mag, aber man sollte immer dranbleiben, egal wie es gerade läuft.
An dieser Stelle bedanken wir uns noch einmal bei Arian für seine Zeit und die vielen Antworten, die er uns gegeben hat. Einen Instagram-Post zu dem Interview findest du unter @goldwaage.jura, wo du uns gerne einen Kommentar hinterlassen kannst.
[1] Seine genaue Examensnote möchte Arian nicht veröffentlichen, aber da wir ihn persönlich kennen, können wir seine Leistung bestätigen.
mit Norina Köslich, Jacqueline Dunker und Mareike Coordes
Die Gründung der eigenen Kanzlei ist für viele Studierende ein Traum. Norina und Jacqueline haben sich diesen im Jahr 2020 erfüllt und sich mit der Kanzlei Köslich & Dunker selbständig gemacht. Inzwischen ist das Team zu dritt und vertritt bundesweit MandantInnen. Wir haben sie für euch rund ums Thema „Kanzleigründung“ ausgefragt.
1. Ihr habt im Jahr 2020 eure eigene Kanzlei Köslich und Dunker gegründet. Wie kam es dazu? Wir haben unsere eigene Kanzlei gegründet, um auch in einer eher konservativen Branche nach unseren Werten und Idealen leben und arbeiten zu können. Unsere Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältinnen in einem Legal Tech Startup hat uns Spaß gemacht – wir wollten aber mehr Dinge selbst ausprobieren.
2. Viele Studierenden streben einen Job in einer Großkanzlei oder im Staatsdienst an. Wieso habt ihr euch dafür entschieden, euch selbständig zu machen? Die Arbeit in einer Großkanzlei haben wir nie angestrebt. Auch da gibt es verschiedene Arbeitsverhältnisse – aber der Ruf von starken Hierarchien und 60 – 80 Stundenwochen hat uns eher abgeschreckt. Auch vertritt man in einer Großkanzlei häufig große Firmen – also diejenigen, die ohnehin schon in einer sehr starken Position sind. Der Staatsdienst erschien uns zu unflexibel. Als Selbstständige hat man eher die Möglichkeit über seine Mandate und Arbeitszeiten zu bestimmen.
Foto: Kanzlei Köslich & Dunker
3. Welche Vorteile bringt die Selbständigkeit mit sich? Natürlich muss man als Selbstständige für ein ausreichendes Einkommen sorgen. Darüber hinaus ist es einem jedoch selbst überlassen, wie viele und welche Mandate man annimmt. Bei der Tages-und Termingestaltung kann man mehr Rücksicht auf seine eigenen Bedürfnisse nehmen.
4. Von der Idee der Selbständigkeit bis zur tatsächlichen Kanzleieröffnung vergeht sicherlich eine Menge Zeit. Welche Schritte befolgt man, wenn man eine Kanzlei gründet? Wie lange dauert dieser Prozess? Bei uns waren es circa drei Monate. Die waren wir aber auch wirklich schwer beschäftigt. Angefangen haben wir dann mit der Bürosuche. Wir haben alles selbst renoviert. Was uns auch wirklich lange aufgehalten hat, war das Logo und generell der Außenauftritt inklusive Homepage etc. Aber auch hier haben wir fast alles selbst gemacht.
Zudem gibt es natürlich einige formale Hürden wie Steuern und Versicherungen. Einen Gründungszuschuss zu beantragen, empfiehlt sich auf jeden Fall.
Wir fanden es aber schon hilfreich, einen Zeitraum zu haben, wo man sich ausschließlich mit diesen Themen beschäftigen konnte. Wenn man erstmal in der Mandatsarbeit steckt, ist es schon schwieriger sich die Zeit zu nehmen.
5. So eine Gründung kostet neben Zeit wahrscheinlich auch Nerven. Welche Fehler können bei der Gründung einer Kanzlei unterlaufen? Die Fehlerquellen sind vielfältig. Grundsätzlich sollte man etwas mehr Zeit einplanen, häufig dauert es doch etwas länger, bis man mit den Ergebnissen zufrieden ist. Bei der nächsten Gründung würden wir uns definitiv früher um Telefonnummer bzw. Telefonanschluss kümmern. Hier gab es Probleme. Und dass wir unsere Telefonnummer noch nicht hatten, hat uns ganz schön ins Schwitzen gebracht: ohne Telefonnummer keine Fensterbeklebung, keine Flyer, keine Visitenkarten etc.
6. Nachdem alle Prozesse der Gründung durchlaufen sich: Wie erreicht man seine ersten MandantInnen? Wir bekommen relativ viele Mandate über Empfehlungen. Entweder von früheren MandantInnen oder auch aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Sonst auch über Google Ads oder Anwalt.de. Auch über Instagram werden regelmäßig MandantInnen auf uns aufmerksam. Aber hier muss man echt am Ball bleiben.
7. Welche Tipps habt ihr für Jurastudierende, die mit dem Gedanken spielen, sich nach dem Studium ebenfalls selbständig zu machen? Wir haben uns zwar nicht gleich nach dem Studium selbstständig gemacht. Dennoch: so viele finanzielle Mittel braucht es gar nicht für eine Selbstständigkeit. Man kann auch erstmal ohne Angestellte loslegen. Auch die Büroräume müssen am Anfang ja nicht riesig sein – manche starten sogar von zu Hause aus und mieten bei Bedarf Besprechungsräume an. Der Gründungszuschuss hilft auch ganz gut. Ansonsten macht aus unserer Sicht eine Spezialisierung schon früh Sinn – ansonsten verzettelt man sich mit seinen Rechtsgebieten.
Ihr wollt noch mehr über die Kanzlei Köslich & Dunker erfahren? Auf dem Instagramkanal @kanzlei_kornstraße teilen die drei neben Eindrücken aus dem Anwältinnenalltag auch regelmäßig „lawhacks“ in denen sie aktuelle Rechtsprobleme erklären.