Interview: Aurelio Diamanti von DisrUPt Law e.V.

Aurelio Diamanti ist Jurastudent in Heidelberg und hat sich schon zu Beginn seines Studiums für technische Innovationen im juristischen Bereich interessiert. Im Sommer 2020 gründete er den Verein DisrUPt Law e.V., um ein Angebot zu schaffen, bei dem sich Studierende zum Thema Legal Tech austauschen und weiterbilden können.

Wir haben mit ihm über Digitalisierung, die Gründung eines studentischen Vereins und die Zukunft des Rechts geredet.

Goldwaage: DisrUPt Law ist ein studentischer Verein, der sich mit Legal Tech beschäftigt. Was ist denn eigentlich Legal Tech? Aurelio: Legal Tech per se ist noch nicht richtig definiert. Wir schließen uns der gängigsten Definition an, dass es darum geht, juristische Arbeitsprozesse durch Nutzung der Digitalisierung und moderner Technologien zu rationalisieren und der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen.

Das kann so aussehen, dass ich als Anwalt die Digitalisierung nutze, um meine Dienstleistungen der Öffentlichkeit leichter zugänglich zu machen. Das geht zum Beispiel, indem ich einen Vertragsgenerator erstelle. Oder mithilfe von Chatbots, die MandantInnen nutzen können, um erste Fragen abzuklären und ein besseres Bild zu bekommen. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist FlightRight

Legal Tech kann auch so aussehen, dass eine Großkanzlei große Mengen an Vertragsdaten analysiert, um die besten Klauseln für künftige Verträge zu finden. Legal Tech ist also die Digitalisierung der juristischen Arbeit selber.

Wie bist du darauf gekommen, den Verein zu gründen? Ich habe schon früh im Studium gemerkt, dass Apps und ein gewisses Verständnis von Technik den Studienalltag unheimlich vereinfachen können. So habe ich schon 2019 Kommilitonen gezeigt, wie man digital lernen kann, zum Beispiel mit digitalen Karteikarten. Zeitgleich war ich bei einem Legal Tech Start-Up in in Heidelberg für ein Praktikum. Dort habe ich sehr viel zu Legal Tech mitbekommen, da auch der Gründer sehr aktiv in der Szene ist. Insgesamt habe ich gemerkt, dass im Bereich der Digitalisierung allgemein und im Legal Tech-Bereich sehr viel passiert.

Die Digitalisierung birgt viel Potenzial für Studierende: Sowohl für das Studium als auch für die beruflich Zukunft. Aber es gibt im juristischen Studium eigentlich kaum etwas dazu.

Im Februar 2020 habe ich dann gesehen, dass es Legal Tech Initiativen an anderen Unis gibt. Da dachten einige Kommilitonen und ich: warum nehmen wir das als Studierende nicht einfach selbst in die Hand und schaffen einen Rahmen, in dem sich Jurastudierende mit der Digitalisierung auseinandersetzen können?

Was genau macht ihr bei DisrUPt law? DisrUPt law ist eine Vereinigung von Studierenden jeglichen Wissenstands im Bereich Digitalisierung, die selber mehr über die Digitalsierung (des Rechts) lernen wollen, erlangtes Wissen schon im Studium anwenden möchten und andere Studierende für die Themen der Zukunft begeistern möchten. Es war von Anfang an klar, dass wir sowohl Leute abholen wollen, die schon viel Wissen mitbringen wollen, als auch Leute, die gar kein Hintergrundwissen mitbringen. 

Dort können Studenten sich einerseits fachlich mit der Materie der Digitalisierung im Recht allgemein auseinandersetzen, aber auch mit der sich verändernden Rechtspraxis, in der sich die Sachverhalte mehr und mehr ändern. Vor allem wollen wir durch Veranstaltungen Studierenden die Möglichkeit geben, sich mit der Digitalisierung und Legal Tech auseinander zu setzen und sich in dem Bereich aktiv weiterzubilden. 

Hierdurch schließen wir die Lücke, die momentan zwischen juristischer Praxis und einer immer digitaler werdender Gesellschaft auf der einen Seite und der juristischen Ausbildung auf der anderen Seite besteht. Denn durch disrUPt können (Jura-)Studierende sich schon im Studium in der Digitalisierung des Rechts weiterbilden, ohne irgendwo Mitglied sein zu müssen oder Geld zu bezahlen.

Ihr sitzt in Heidelberg. Kann man bei euch auch mitmachen, wenn man woanders studiert?  Der Stamm und die meisten Mitglieder sitzen in Heidelberg. Aber wir arbeiten digital, einige unserer Mitglieder sind derzeit auch im Ausland oder leben außerhalb von Heidelberg. Deshalb ist unser Credo: Jeder in ganz Deutschland kann mitmachen. Das geht ja dank der Digitalisierung. Wir haben vereinzelt Präsenzveranstaltungen, bei denen wir versuchen, dass die Mitglieder von außerhalb in Heidelberg untergebracht werden. Wir sehen das als Bereicherung, dass Mitglieder dabei sind, die nicht aus Heidelberg kommen. Hierdurch können alle den eigenen Horizont erweitern.

Wo siehst du DisrUPt law in der Zukunft? Wir haben es in den letzten Jahren schon ganz gut etabliert, Wissen an Studierende heranzutragen. Ein Meilenstein war unsere erste “Akademie” mit dem Oberthema “Alternative Karrierewege für Juristen und Juristinnen”, bei der es verschiedenen Seminare gab, um tiefgreifendes Wissen im Bereich Unternehmertum, Gründung von (Legal Tech) Start-Ups und der Arbeit als Legal Engineer zu vermitteln. Im Zentrum stand die Frage, welche Möglichkeiten für Juristinnen außerhalb des klassischen Anwaltsberufes gibt. Die AbsolventInnen erhalten auch ein Zertifikat, auf dem die Experten, die wir eingeladen haben, die Teilnahme bestätigen.

Unser nächstes Ziel ist, neben der Wissensvermittlung – die kostenlos und für alle zugänglich bleiben soll – das Gelernte auch aktiv anzuwenden. Hier erarbeiten wir gerade ein Konzept mit Unterstützung aus der Praxis, von dem ich aber noch nicht zu viel berichten darf.

Und wo siehst du die Zukunft des Legal Techs Ich bin der Auffassung, dass wir noch ganz am Anfang sind, auch wenn Legal Tech sehr viele Fortschritte macht. Obwohl es schon viele Initiativen dazu deutschlandweit gibt, merkt man, diplomatisch ausgedrückt, eine gewisse Technologie-Ferne, die gerade noch im juristischen Studium und juristischen Berufen besteht. 

„Bisher merkt man die Tendenz noch sehr stark: Jurastudierende – Buch, Stift, Papier, andere Studierende – Laptop und moderne Apps.“

Aurelio Diamanti

Bisher merkt man die Tendenz noch sehr stark: Jurastudierende – Buch, Stift, Papier, andere Studentierende – Laptop und moderne Apps. Selbstverständlich bringen andere Studiengänge auch andere Herausforderungen als das Jurastudium mit sich, die technologischer Lösungen bedürfen. Aber auch der klassiche Jurastudierende kann von Technik profitieren. 

Deshalb sehe ich in den nächsten Jahren einen großen Mentalitätsshift, einfach durch die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bringt. 

Dazu kommt eine gewisse Öffnung in der Rechtsausbildung, indem zum Beispiel mehr Materialien gut zugänglich sind. Dadurch wird das Rechtswissen der Allgemeinheit und auch den Studierenden besser zugänglich, was ich sehr begrüße. Aber ich sehe auch eine große Entwicklung, dass schon existierende Rechtspraktiker sich sehr viel weiterbilden müssen, um die komplexen Probleme der Zukunft zu verstehen. Um zum Beispiel künstliche Intelligenz, Blockchain und alles was damit einhergeht zu verstehen, reicht es nicht nur, Grundlagenwissen zu haben. Dafür wird es Juristen brauchen, die sich tief mit Technologie auskennen und einerseits das Recht anwenden können und andererseits das Recht schaffen können, um den Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft gerecht zu werden. 

Auch im Rechtsmarkt sehe ich einiges an Wandel. Aus meiner subjektiven Perspektive gibt es eine junge Generation an heranwachsenden AbsolventInnen, die einen gewissen Schwung in die Praxis bringen werden. 

Zusammenfassend sehe ich einen ganz großen Transformationsprozess in unsere Gesellschaft und auch speziell im juristischen Bereich. Und dieser Transformationsprozess birgt natürlich für jeden Jurastudierenden eine Chance. Deshalb würde ich auch jeden Jurastudierenden ermutigen, sich mehr mit Technologie und Digitalem auseinandersetzen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Aurelio für das spannende Interview. Mehr zu DisrUpt Law findet ihr auf der Website und auf Instagram @disrupt_law.