Lange Anschreiben und die Bewerbung persönlich im Büro abgeben war gestern – denn heute läuft der Bewerbungsprozess digital. Unser Autor Robert hat in diesem Post die wichtigsten Erkenntnisse dazu gesammelt.
Digitale Jobvermittlungsportale dürften zumindest für die Privatwirtschaft mittlerweile die relevanteste Quelle an Karrieremöglichkeiten sein.
Während früher Initiativbewerbungen, Kanzleirankings und persönliche Netzwerke aus Referendariat und Praktika dominierten, versprechen spezialisierte Plattformen eine schnelle, transparente und passgenaue Vermittlung zwischen Juristen und Arbeitgebern.
Besonders für Studierende, Referendare und Berufseinsteiger ohne große Netzwerke oder mit spezifischen Wünschen wirken diese Portale attraktiv: wenig Aufwand und gleichzeitig hohe Reichweite. Doch gerade diese Standardisierung bringt nicht nur Vorteile mit sich. Im Folgenden möchte ich die Chancen und Funktionsweisen, aber auch die systemischen Schwächen juristischer Jobvermittlungsportale beleuchten, exemplarisch anhand von Legalhead, Clavisto sowie dem LTO/dejure-Jobportal.

1. Die Grundidee: Effizienz durch Standardisierung
Allen genannten Portalen liegt ein ähnliches Konzept zugrunde:
Bewerber erstellen ein (mehr oder weniger) standardisiertes Profil, hinterlegen Noten, Schwerpunkte, Berufserfahrung, Gehaltsvorstellungen und gewünschte Arbeitsmodelle (Wissenschaftliche Mitarbeit, Referendariat, Associate. Arbeitgeber wiederum stellen Suchprofile ein oder erhalten Zugriff auf Kandidatenpools.
- Legalhead setzt stark auf einen Matching-Algorithmus, bei dem (ähnlich wie Tinder) Bewerber und Arbeitgeberin ohne Kenntnis des anderen gegenseitig Interesse bekunden können. Bei einem Match wird dann, auch seitens der Mitarbeitenden von Legalhead, auf eine Kontaktaufnahme hingewirkt. Bewerber können sich mit wenigen Klicks auf mehrere Stellen gleichzeitig bewerben, allerdings filtern etwa Noten oder Gehaltsbenchmarks beidseitig so vor, dass man nur einen Ausschnitt des Arbeitsmarktes überhaupt angezeigt bekommt.
- Clavisto positioniert sich elitärer, man muss sich bereits bewerben um auf das Portal zu kommen. Es kombiniert digitale Profile ggf. ebenfalls mit individueller Beratung und versteht sich stärker als klassischer Headhunter für Großkanzleien, die mit exklusiven Events werben. Persönlich kann ich sagen, dass gerade wenn man außerhalb der klassischen Ballungszentren sucht, wenig außer Workshops bei Großkanzleien zustande kam und die entsprechenden Stellen meist auch öffentlich ausgeschrieben sind.
- Das LTO/dejure-Portal fungiert primär als spezialisierte juristische Stellenbörse mit hoher Reichweite, redaktionellem Umfeld und klassischem Bewerbungsprozess über Anzeigen. Auch hier kannst du dich schnell mit einem standardisierten Profil über die Plattform bewerben. Meines Erachtens nach ist es der größte öffentliche juristische Stellenmarkt, bei dem auch kleinere Kanzleien und Behörden vertreten sind.
2. Chancen für Bewerber: Sichtbarkeit und Marktüberblick
Gerade für junge Juristinnen und Juristen bieten diese Plattformen reale Vorteile:
- Niedrige Einstiegshürde: Ein einmal gepflegtes Profil kann für zahlreiche Bewerbungen genutzt werden. Oft wird kein Anschreiben mehr erwartet oder ist technisch vorgesehen, gerade bei Legalhead. Das spart wirklich Zeit, verkürzt aber auch ggf. eine tiefere Auseinandersetzung mit Eigenheiten des jeweiligen Arbeitgebers.
- Der mögliche Vergleich von Gehaltsangaben, Standortvergleiche und Tätigkeitsprofile helfen bei der realistischen Einschätzung des Arbeitsmarktes. Allerdings sind einige Stellenbeschreibungen oft etwas schwammig, sodass man die jeweiligen Feinheiten weiterhin in einem persönlichen Gespräch ausarbeiten muss. Gerade bei „nischigen“ Interessen ist es jedoch spannend zu sehen, wo überhaupt entsprechende Möglichkeiten sind.
- Diskretion: Anonymität ermöglicht es, sich umzusehen, ohne sofort sichtbar den Arbeitgeber wechseln zu wollen. Möglicherweise auch nur, um sich für die nächsten Gehaltsverhandlungen beim alten Arbeitgeber zu wappnen.
Nicht zu unterschätzen ist zudem der psychologische Effekt: Viele Bewerber empfinden es als motivierend, aktiv „gefunden“ zu werden, statt ausschließlich Absagen auf klassische Bewerbungen zu erhalten. Denn mitunter schreiben auch rekrutierende Arbeitgeber interessante Profile an.
3. Objektifizierung – Noten rein, Persönlichkeit raus?
Die Kehrseite dieser Effizienz ist jedoch offensichtlich. Die meisten Portale reduzieren Bewerber faktisch auf harte Parameter:
- Examensnoten
- Berufsjahre
- Gehaltsvorstellungen
- Arbeitszeitmodelle
Was dabei häufig verloren geht, ist das, was juristische Arbeit im Alltag tatsächlich prägt: Persönlichkeit, Arbeitsstil, Motivation, Teamfähigkeit, Interessen jenseits des Lebenslaufs. Denn die meisten juristischen Berufe sind immer noch Tätigkeiten mit Menschen.
Standardisierte Bewerbungsformulare lassen kaum Raum, um Werdegänge zu erklären, Brüche einzuordnen oder Entwicklungspotenziale sichtbar zu machen. Wer nicht in das Raster „gute Noten und stringenter Lebenslauf“ passt, wird möglicherweise algorithmisch aussortiert.
Leider selbst, wenn er oder sie fachlich und menschlich hervorragend geeignet wäre. Gerade das Anschreiben, oder auch der Text in der ersten Email oder über einen persönlichen Kontakt bieten Potential, spannende Aspekte und die eigene Motivation für die Stelle mehr herauszustellen. Dies setzt natürlich voraus, das tatsächlich ein menschlicher Entscheider deine Bewerbung zur Vorauswahl in den Händen hält.
Gerade Studierende und Referendare mit nicht-linearen Lebensläufen laufen hier Gefahr, strukturell benachteiligt zu werden. Dies spiegelt aber meines Erachtens auch das Rekrutierungsverhalten der Großkanzleien wieder: Diese haben aufgrund der erheblichen Größe der Abteilungen und dem Arbeitsalltag, den wenige auf Dauer machen wollen, einen erheblichen Personaldurchsatz. Hier geht es nicht darum, den nächsten Topanwalt aufzubauen, sondern auf die Lücken im Team für einige Zeit mit jungen Juristen zu füllen, die schnell gut mitarbeiten können.
4. Arbeitgeber im Gegenzug: Reduktion auf Gehalt und Prestige
Auch Arbeitgeber werden aber durch diese Plattformlogik vereinfacht dargestellt. Kanzleien und Unternehmen konkurrieren primär über:
- Gehaltsbandbreiten
- Arbeitszeitmodelle
- Standort
- Kanzleigröße oder „Markenname“
Was oft untergeht, sind Arbeitsatmosphäre, Ausbildungsqualität, Mandatsstruktur, Führungsstil oder reale Entwicklungschancen. Besonders kleinere Kanzleien, Boutiquen oder spezialisierte Nischenarbeitgeber haben es schwerer, sich in diesen Portalen sichtbar zu machen. Selbst wenn sie fachlich hochattraktive Tätigkeiten bieten.
Zugegeben, dieses Problem auch besteht nicht erst seit es digitale Jobportale gibt. Letztlich musste man auch früher nach Stellenanzeigen etwa in der NJW im Einzelfall herausfinden ob man sozial zu dem Arbeitgeber passt. Allerdings hat der Ruf der Großkanzleien oft einen wahren Kern, während es schwierig ist bei kleineren Einheiten verlässliche Quellen zu finden. Und auch wenn der Jobmarkt riesig scheint: Wer hat schon Interesse, parallel bei 10 verschiedenen Arbeitsplätzen die entsprechenden kulturellen Eigenheiten zu erfragen?
Die Folge ist also oft eine Überrepräsentation großer Einheiten auf den entsprechenden Portalen, die teilweise die gleiche Stelle auch an mehreren Standorten in Deutschland ausschreiben und so eher gefunden werden als die Kanzlei im Mittelzentrum, das man eher herausfiltert.
6. Fazit: Nützliches Werkzeug, aber kein Ersatz für Eigeninitiative
Jobvermittlungsportale für Juristen sind weder Heilsbringer noch Teufelszeug. Sie sind effizient, bequem und hilfreich, wenn man ihre Grenzen kennt und sich bewusst ist, dass es auch noch die „klassischen“ Bewerbungswege gibt.
Wer sie aber nutzt, sollte:
- sie ergänzend, nicht ausschließlich einsetzen,
- klassische Bewerbungen und Netzwerke nicht vernachlässigen,
- sich der eigenen Reduktion auf Kennzahlen bewusst sein (gerade wenn man nicht mit Prädikatsexamina aufwarten kann),
- und Portalergebnisse nicht mit objektiven Wahrheiten verwechseln. Oft hilft ein Blick über den Tellerrand.
Denn juristische Karrieren lassen sich nicht vollständig algorithmisieren. Persönlichkeit, Haltung und Entwicklungspotenzial passen selten in Drop-down-Menüs – spielen in der Praxis aber eine entscheidende Rolle.
Gerade deshalb gilt: Plattform nutzen, aber Profil behalten und Chancen nutzen, wo Sie sich bieten.
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