Perfekt strukturiert: Diese Verhaltensweisen erleichtern deine ersten Tage im neuen Job

Unser Autor Robert hat vor kurzem seinen Berufseinstieg vollbracht und festgestellt: Die mühsam erlernte Theorie aus dem Jurastudium hat mit wichtigen praktischen Fragen als JuristIn oft gar nichts zu tun. In diesem Beitrag gibt er deshalb Tipps, damit du für den ersten Realitätscheck in der Arbeitswelt gewappnet bist.

Die juristische Ausbildung ist in Deutschland eine faszinierende Sache. Wir wälzen jahrhundertealte Streitstände, sezieren Normen wie ChirurgInnen mit Telos und Historie und entwickeln dabei ein Feingefühl dafür, auf welchem Subsumtionsschritt ein Argument gerade passt. Was wir dabei oft nicht lernen? Wie man organisiert. Wie man in Teams kommuniziert (jenseits der gemeinsamen Lösung der Hausarbeit in der Lerngruppe). Und vor allem: wie man durch einen Fall als Prozess nicht nur juristisch, sondern operativ steuert.

Der Realitätsschock kommt meistens im Berufseinstieg. Zumindest bei fähigen Ausbildern kommen im Referendariat die Fälle und Aufgaben noch eher dosiert und mehr oder minder deinem Ausbildungsstand angepasst. An einem festen Arbeitsplatz (egal ob Kanzlei, Dezernat oder Lehrstuhl), an dem du letztlich für deine Leistung bezahlt wirst, geht es weniger um deine fachliche Entwicklung, sondern um Ergebnisse. Plötzlich dreht sich nicht mehr alles um ein perfekt ausformuliertes Gutachten, sondern um E-Mails, die sofort beantwortet werden wollen, Mandanten, die ungeplant anrufen und dich aus dem Flow bringen und Teams, die parallel auf Ergebnisse warten. Sehr schnell wird klar: Jura ist nicht nur Rechtswissenschaft. Es ist auch Projektmanagement in Robe.

Fälle sind Projekte. Punkt.

Kaum jemand sagt dir das als Neuling, aber jedes Mandat und jede Akte ist ein Projekt. Es hat ein Ziel, ein Ergebnis, Fristen, Beteiligte, Risiken – und jemanden (oder besser ein Team), der oder das dafür verantwortlich ist, dass alles zu einem Abschluss kommt. Das bist früher oder später in verschiedenen Rollen du.

Doch während andere Branchen Projektmanagement in Seminaren erklären oder allein darauf zugeschnittene Managerrollen haben, neigen Kanzleien oft zur Annahme, dass man „da schon reinwächst“. Das stimmt theoretisch und tatsächlich ist mit dem Referendariat und der Examensvorbereitung eine Lernkurve dahingehend angelegt. Praktisch kostet es aber bereits im Studium viele Abende, Nerven und manchmal auch eine Portion Selbstzweifel, bis man merkt: Struktur ist kein Luxus, sondern eine Überlebensstrategie.

Wer seinen Arbeitsprozess strukturiert, hält das Steuer selbst in der Hand. Auch dann, wenn es mal wackelig wird. Ehrlich muss man aber auch sagen, dass der juristische Alltag nicht immer planbar ist und die Prozessordnungen und nicht der eigene Kalender viele Fristen für uns setzt.

Scope: Was genau soll geliefert werden?

Eine der wichtigsten Fragen zu Beginn eines Mandats ist erstaunlich einfach – und wird doch selten gestellt:

„Was genau soll ich eigentlich abgeben?“

Jurist:innen neigen dazu, tief zu gehen – manchmal tiefer, als es der Mandant jemals wollte oder bezahlen möchte. Projektmanagement heißt daher zunächst: Auftragsklärung.
Ist ein kurzes Fazit gewünscht oder eine wissenschaftliche Analyse? Soll die Antwort in Bullet Points per Mail kommen oder als ausformulierter Aktenvermerk? Wer liest es – Partner, juristischer Laie oder die Geschäftsstelle?

Zehn Minuten Klärung am Anfang sparen zehn Stunden Nacharbeit am Ende. Insbesondere diese Fähigkeit erlernt man jedoch im Referendariat. Hier ist man neben dem Gutachten das erste mal mit verschiedenen Aufgabenstellungen à la „Anklage mit A- und B-Gutachten, Ermittlungsvermerk oder nur einer kurzen Zusammenfassung für die mündliche Verhandlung“ konfrontiert. Entsprechend sollte man sich die Nachfrage bei Übergabe der Akte unbedingt beibehalten.

Zeitplanung mit echtem Puffer

Die schönste Struktur hilft nichts ohne realistische Zeitplanung. Es gilt: Alles dauert länger, als man denkt, und Dringendes kommt immer dazwischen. Und wenn wir ehrlich sind, macht der spontane Kontakt mit anderen Prozessparteien den juristischen Beruf doch gerade spannender als die meisten anderen Bürojobs. Daher: Puffer einplanen, und Deadlines Dritter nicht blind akzeptieren, sondern aktiv besprechen und im Sinne deines Zeitrahmens nachverhandeln.

Sätze wie „Schaffe ich bis zum Mittag“ klingen erst mal gut, sind aber selten nachhaltig, wenn du den Fall noch gar nicht durchdrungen hast. Professioneller – und am Ende vertrauensbildender – ist ein klares Erwartungsmanagement:

„Mittwoch 10 Uhr sollte für mich klappen. Ich melde mich aber, sollte etwas Dringendes dazwischenkommen.“

Das ist kein Aufgeben, sondern Priorisierung und das Rechnen mit dem Unberechenbaren. Eine solche Kommunikation ist natürlich nur notwendig, wenn noch kein entsprechendes allgemeines Verständnis im Team besteht.

Auch gegenüber Mandanten ist es wichtig, realistische Einschätzungen des mit dem Einsatz von Zeit und Mitteln möglichen Ergebnissen zu liefern. Denn letztlich braucht es solche Transparenz auf allen Seiten, um die jeweils besten Entscheidungen treffen zu können und letztlich auf allen Seiten Zufriedenheit zu erreichen.

Ressourcen nutzen: Eine Frage des Systems

Delegation ist nicht nur Chefsache. Schon als WissMit lässt sich systematisch arbeiten und so der Aufwand reduzieren: früh Muster einholen, auf bestehende Dokumente zugreifen, Aufgaben ggf. auch die Geschäftsstelle weitergeben und Rückfragen einkalkulieren. Zudem ist es hilfreich, auch Zwischenstände mit dem Team zu teilen, damit niemand Fragen muss, wer eigentlich gerade welchen Stand der Akte hat oder schlimmstenfalls die gleiche Arbeit doppelt gemacht wird.

Anders gesagt: Projektmanagement bedeutet nicht, alles selbst zu können oder zu machen, sondern zu koordinieren.

Dazu gehört auch, anderen den Erfolg zu ermöglichen. Gute AnwältInnen führen – auch ohne Titel.

Tools und Programme

Wer denkt, Projektmanagement setze spezielle Software voraus, kann beruhigt sein. Vieles beginnt mit einfachen Dingen:

  • Kalender konsequent blocken und mit dem Team teilen
  • Strukturierte Ordner und Dokumentenversionen pflegen
  • Kurze regelmäßige Status-Notizen führen oder Teambesprechungen abhalten
  • OneNote/Teams/Notion für internes Wissens- und Aufgabenmanagement nutzen (über letzteres organisieren wir auch die Goldwaage)

Da du in Kanzleien eher keinen Einfluss auf die verwendete Software hast, läuft es in aller Regel auf eine gute Kenntnis von MS Outlook und Teams hinaus.

Besprechungen, gerade in Person, haben zudem den Vorteil, dass du zwischenmenschliches Vertrauen mit deinem Team aufbaust und gleichzeitig erkennt, wie die Belastung aktuell verteilt ist. So kannst du verlässlicher einschätzen, wen du im Hilfe fragen könntest und wer vielleicht gerade gern ein Projekt abgeben würde. Denn solches Vertrauen ist die Grundlage guter Zusammenarbeit.

Projektmanagement schützt vor Überlastung

Das Spannende ist: Wer Projekte gut steuert, schützt nicht nur Mandanteninteressen, sondern auch die eigene Gesundheit.

Projektmanagement setzt Grenzen: Was muss heute wirklich fertig sein? Was kann morgen erledigt werden? Was wird delegiert? Und wann ist Feierabend?

Diese Fragen klingen banal. Sie sind aber die Grundlage beruflicher Langlebigkeit, weil mit gutem Gewissen Abschalten können einfach wichtig für die Psyche ist.

Man könnte also sagen:
Projektmanagement ist die Kunst, nicht nur Recht zu haben – sondern rechtzeitig fertig zu werden.

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Work-Life-Balance im Kanzleialltag – gibt es das?

Wer erste Erfahrungen in der Anwaltskanzlei sammelt, merkt schnell: So einfach ist das mit dem gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit nicht. In diesem Beitrag teilt unser Autor Robert seine Erfahrungen und Tipps, um die Balance zu halten.

Wenn du als AnwältIn in einer Kanzlei (die nicht deine eigene ist) arbeitest, merkst du schnell: Die Erwartung, quasi permanent verfügbar zu sein, ist vielerorts allgegenwärtig. Mandate brauchen schnelle Rückmeldung, PartnerInnen erwarten, dass Probleme nicht liegenbleiben und fachliche Profilierung soll auch erfolgen – und dann bist du auch 19 Uhr noch am Telefon oder checkst Mails, obwohl du eigentlich schon 10 Stunden im Büro bist. Das kostet nicht nur Energie, sondern kann auch zulasten der psychische Gesundheit gehen. Aber: Es gibt Wege, das so gut wie möglich in Balance zu bringen. Auch die Kanzleien haben erkannt, dass mit einem Burn-Out im Dritten Berufsjahr niemandem geholfen ist.

Arbeitsbelastung und Mandanten-Erwartung

Kanzleien leben vom Vertrauen und Verlässlichkeit. Wenn MandantInnen wissen, dass du erreichbar bist, steigt ihr Anspruch – oft implizit. „Nur eine kurze Rückfrage“, „können Sie bitte noch schnell …“ um 17.30 Uhr und plötzlich ist der geplante Feierabend weg. Das Interesse ist prinzipiell gut nachvollziehbar. In vielen Mandaten besteht ein hohes wirtschaftliches Risiko, Fristen und Konsequenzen sind nicht immer nur in persönlichen Wünschen begründet. Auch bei Strafverteidigern ist die Hausdurchsuchung eher selten abgestimmt mit den üblichen Werkzeiten. Wenn man im Team arbeitet, kommt zudem noch die soziale Erwartung dazu, gut dazustehen und durch unfertige Arbeit den anderen nicht zur Last zu werden.

Strategien um den Anwaltsberuf zu entspannen

Damit diese Erwartungshaltung nicht zur Dauerbelastung wird, helfen ein paar konkrete Strategien, welche sich in Kanzleien etabliert haben:

  1. Mandatsteilung / Parallelbearbeitung: Zwei AnwältInnen oder MitarbeiterInnen arbeiten parallel an einem Mandat. So kann einer aus welchem Grund auch immer (Krankheit, Familie etc.) abwesend sein und der andere übernimmt, ohne dass alles stillsteht. Die Mandantschaft kann weiterhin Fragen beantwortet bekommen, ohne das sich ein Dritter komplett neu in die Akte einarbeiten muss.
  2. Erreichbarkeitsfenster definieren: Klare Zeiten, zu denen du erreichbar bist – und Zeiten, die du dir für Erholung blockst. Diese sollten auch gegenüber Mandant:innen und im Team kommuniziert werden. In größeren Teams könnten beispielsweise auch Zeitfenster bewusst im geteilten Kalender geblockt werden.
  3. Prioritäten setzen: Nicht jeder Auftrag ist gleich wichtig. Mit Vorgesetzten solltest du früh klären, was wirklich ein Eilfall ist. So vermeidest du, dass dein „Sofort“ zum Dauerzustand wird. Letztlich ist dies aber immer Entscheidung desjenigen, der mit dem Mandanten letztlich die Vergütung festlegt und ggf. dafür sorgt, dass Erwartungen erfüllt und zukünftige Mandatierungen gesichert werden. Sollte die Rücksichtnahme hier überschaubar sein, bleibt allenfalls der Wechsel in ein anderes Team mit anderen Verantwortlichen.

HomeOffice und flexible Arbeitszeit

Das Home-Office und flexiblere Arbeitszeiteinteilung sind zumindest in der Coronazeit eigentlich an jedem Arbeitsplatz angekommen. Tendenziell ist insbesondere aber die dauerhafte Gewährung von Home Office durch Arbeitgeber auf dem Rückzug. Inwieweit dies in Kanzleien überhaupt verlässlich möglich ist, hängt auch vom Rechtsgebiet ab. Es wäre wohl weltfremd besonders Aufgaben wie Verhandlungen oder Akquise ausschließlich vom heimischen Küchentisch machen zu wollen. § 27 Abs. 1 BRAO verpflichtet Anwält:innen in Deutschland dazu, eine physische Kanzlei einzurichten und dort auch verlässlich erreichbar zu sein. Nun könnte man meinen, gerade wenn es sich um eine größere Kanzlei handelt, dass diese auch mit Leben gefüllt werden will. Es bleibt also eine Einzelfallbetrachtung. Zu berücksichtigen sind hier generell:

Vorteile:

  • Weniger Fahrtzeit, mehr Zeit und Ruhe zu Hause. Tendenziell entsteht auch weniger Stress durch Parkplatzsuche oder Bahnausfälle, was deine Produktivität verbessern kann.
  • Flexibilität, Termine unabhängig vom Standort zu vereinbaren (Handwerker begleiten o.Ä.).
  • Besserer Übergang bei familiären Aufgaben (Kinder, Pflege etc.), da keine Lange Anfahrt nötig ist.

Nachteile:

  • Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen: Wenn du zuhause bist, ist das Gefühl groß, ständig „on“ sein zu müssen, oder eben doch noch ein Projekt anzufangen. Gleichzeitig wird die Zeiterfassung schwieriger, wenn auf dem Gang zur Toilette eben doch noch schnell die Waschmaschine beladen wird.
  • Urlaub oder freie Tage können weniger erholsam sein, wenn in Gedanken oder via Handy/Teams/Mail durch Nachrichten von der Arbeit immer „noch was hängen bleibt“. Diesem Problem kann aber insbesondere durch technisch separierte Desktopumgebungen oder gleich verschiedene Geräten (Dienstlaptop/Diensthandy) gut gebändigt werden.
  • Gefahr, dass Homeoffice als Vorwand gesehen wird, mehr Aufgaben nach Dienstschluss zu erledigen. Dieses Problem besteht aber auch ohne Home Office, da auch im Büro neben der Essenspause gearbeitet werden kann oder man den Feierabend noch weit in die Nacht schiebt. Die räumliche Trennung von Freizeit und Arbeit hilft hier aber zumindest, da sobald man zuhause ist Partner oder Freunde einen zum Abschalten zwingen.

Nicht vergessen sollte man aber auch den Aspekt, dass man in der Kanzlei eher belastbare Beziehungen zu Kolleg:innen knüpft, die so über digitale Kanäle nicht entstanden wären. Der spontane Austausch an der Kaffeemaschine über das Wochenende oder der mitgebrachte Geburtskuchen sorgen für Solidarität, die sich ggf. auszahlt wenn du doch Hilfe oder Nachsicht für spontane private Flexibilität brauchst.

Teamevents nach Feierabend: Fluch oder Segen?

Viele Kanzleien nutzen Teamevents – gemeinsames Abendessen, Drinks, After-Work-Netzwerken. Diese sind nicht immer nur nach innen gerichtet, sondern regelmäßig auch als Akquiseveranstaltung an potentielle Mandant:innen oder Bewerber:innen gerichtet. Letztere können durchaus Arbeitszeit darstellen, die entspannter als die reine Aktenarbeit ist. Nichtsdestotrotz können die verantwortungsvolle Kontaktpflege mit vielen Menschen und die späteren originären Feierabende eine Belastung darstellen.

Vorteile:

  • Bessere Teamkultur, persönlicher Zusammenhalt durch gemeinsame lockere Erlebnisse.
  • Gelegenheit, Kolleg:innen außerhalb des Arbeitsalltags kennenzulernen.
  • Können Motivation steigern, da schöne Teamevents außerhalb des quasi obligatorischem Weihnachtsessen eine Wertschätzung der eigenen Arbeitsleistung darstellen können.

Nachteile:

  • Meist nicht freiwillig gefühlt („alle gehen hin, also muss ich auch“).
  • Verlorene Freizeit, besonders nach langen Arbeitstagen. Selbst wenn das Event schön ist, konntest du in dieser Zeit weder Sport machen noch deinen Einkauf erledigen.
  • Soziales Pflichtgefühl kann zusätzlichen Stress erzeugen. Nicht jeder ist gleichermaßen begeistert von Menschenmengen, gerade bei Kolleg:innen kommt hinzu dass es vielleicht Phasen gibt, wo man im Team Gewisse Spannungen erzeugt hat und gern etwas Abstand davon hätte.

Generell dürfte aber bei den meisten Jurist:innen davon auszugehen sein, dass sie grundsätzlich gern mit Menschen arbeiten und gerade in der digitalisierten Kanzlei die Chance begrüßen dürften, mal wieder mit Menschen zu „arbeiten“.

Meine Einschätzung zu Ergonomie & Gesundheitschecks

Ich finde, das sind oft unterschätzte Stellschrauben, die gerade lange Arbeitstage erträglicher machen und zeigen, dass es dem Arbeitgeber durchaus um deine langfristige Gesundheit geht:

  • Ergonomie (richtiger Bürostuhl, Bildschirm auf Augenhöhe, höhenverstellbare Schreibtische, gute Beleuchtung etc.) ist nicht sonderlich glamourös, aber essenziell. Wenn du nach 2-3 Stunden Rückenschmerzen hast, leidet nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche. Viele Kanzleien machen hier gute Angebote, die etwa in Behörden oft noch nicht so verfügbar sind.
  • Gesundheitschecks / Vorsorgeuntersuchungen: Regelmäßig etwas testen lassen (z. B. Augen, Stressbelastung, Schlaf) kann dich davor schützen, dass kleine Beschwerden eskalieren. Manche Kanzleien bieten solche Angebote auch am Arbeitsplatz an.
  • Impfungen am Arbeitsplatz (z. B. gegen Grippe): Klar, nicht alles ist Kanzleithema, aber wenn Arbeitgeber Impfungen organisieren oder zumindest ermöglichen, zeigt das, dass Gesundheitsförderung kein Lippenbekenntnis ist. Der Kanzlei erspart es ggf. deinen krankheitsbedingten Ausfall und du musst dich nicht erst um einen Arzttermin
  • Es gibt oft Initiativen, stärker auf psychische Gesundheit zu achten: Schulungen für Führungskräfte, Bewusstseinskampagnen, Beratung und Coaching. Allerdings zeigen Studien , dass viele Unternehmen – und wahrscheinlich Kanzleien auch – hier noch deutlich hinter dem Potenzial bleiben.

Fazit

Work-Life-Balance und Gesundheitsangebote in Kanzleien ist kein „nice to have“, sondern notwendig – für die psychische Gesundheit, für die Leistungsfähigkeit und für das berufliche Fortkommen. Die Erwartung permanenter Verfügbarkeit bei Mandant:innen ist real, aber sie lässt sich mit klugen Strategien eingrenzen. Home-Office & flexible Arbeitszeiten helfen, bergen aber auch eigene Herausforderungen.

Trotzdem dürfte die Arbeit als Anwält:in regelmäßig mit einer hohen Verantwortung und Arbeitsbelastung verbunden sein, die sich nur bedingt reduzieren lässt. Nicht umsonst hält sich das Gerücht, dass der öffentliche Dienst gerade eine Familiengründung besser ermöglicht.

Wenn du in einer Kanzlei arbeitest oder arbeitest willst: Setz Grenzen – sprich sie an, verhandle sie, sei klar in deinem Umfeld, wann du erreichbar bist und wann nicht. Gute Kanzleien erkennen zunehmend: dass Mitarbeitende, die mental stabil und zufrieden sind, nicht nur langfristig gesünder sind, sondern auch bessere Arbeit liefern. Darum lohnt es sich, diese Themen offen anzusprechen – im Interesse aller.

Die ersten Tage als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei– zwischen Infrastrukturprojekten, Kaffee mit Kolleg:innen und Verantwortung

Unser Autor Robert ist nach dem zweiten Examen einen etwas ungewöhnlichen Schritt gegangen: Er hat eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter begonnen. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen aus dem Berufseinstieg.

Wenn man das zweite Examen hinter sich hat (oder zumindest kurz davorsteht), stellt sich schnell die Frage: Was kommt als Nächstes? Viele gehen direkt in die Justiz oder in eine Kanzlei als Associate. Ich bin zunächst einen Zwischenschritt gegangen: Ich habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei für Energie- und Infrastrukturrecht angefangen. Das ist eine Erfahrung, die irgendwo zwischen „akademischer Denker“ und „praktizierender Anwalt“ liegt.

Der Einstieg

Die ersten Tage im Beruf als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer spezialisierten Kanzlei sind eine spannende Mischung aus Aufbruchsstimmung, neuen Eindrücken und unerwarteter Verantwortung. Statt gemächlichem Ankommen (wie es im Referendariat mit den Einführungslehrgängen oft der Fall war) stehst du oft sofort mitten in laufenden Mandaten – und das nicht selten in Projekten mit großer wirtschaftlicher Bedeutung. Infrastrukturvorhaben wie Batteriespeicher, Windparks oder Netzausbau wirken von außen abstrakt, in der täglichen Arbeit wird aber schnell klar, dass sie den Puls unserer Zeit treffen. Plötzlich recherchierst du zu Genehmigungsfragen oder EU-rechtlichen Vorgaben – Themen, die im Rahmen der Energiewende in der Zeitung stehen, laufen bei dir als Akte auf dem Tisch. Diese gesellschaftspolitischen Themen und die rechtlichen Schnittstellen zur Arbeit von Ingenieurinnen und IT-Abteilungen (den echten Praktikern) waren aber genau das, was für mich den Reiz von Infrastrukturprojekten ausgemacht hat.

Wissenschaftliche Arbeit am Puls der Zeit

Parallel dazu kann wissenschaftliche Mitarbeit in einer spezialisierten Kanzlei auch eine Brücke zur Veröffentlichung sein. Gerade im IT-Recht, das sich rasant entwickelt, besteht aktuell gute Gelegenheit, an Aufsätzen oder Kommentaren mitzuwirken. Du vertiefst dich in Datenschutzfragen, Künstliche Intelligenz oder neue Regulierungen und bekommst nicht nur einen Einblick in die Praxis, sondern kannst zugleich an wissenschaftlicher Debatte teilhaben. Das macht die Position besonders attraktiv für alle, die juristische Arbeit nicht nur als Dienstleistung, sondern auch als intellektuelle Auseinandersetzung verstehen, oder sich nicht ganz sicher waren, ob die Mitarbeit an einem Lehrstuhl nicht doch das richtige für sie gewesen wäre.

Hohe Zeitbelastung – ohne den Titel „Rechtsanwalt“

Mit der spannenden Arbeit geht aber auch eine hohe Zeitbelastung einher. Mandate müssen unter engen Fristen bearbeitet werden, die Verantwortung ist groß – und das, obwohl du (noch) nicht als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zugelassen bist und auch nicht auf diesem Niveau bezahlt wirst. Denn so tief wie du ist regelmäßig niemand in der Kanzlei in Spezialthemen eingearbeitet, sodass Sie sich auf deine Stellungnahme verlassen müssen. Im Gegensatz zur Uni steht das Geld für Recherche nicht im Rahmen des Lehrstuhlbudgets parat, sondern muss über Mandate erwirtschaftet werden. Es ist ein bewusst gewählter Einstieg: Du entscheidest dich für eine wissenschaftliche Mitarbeit, weil du Praxisnähe erleben willst, ohne dich sofort für die volle Anwaltsrolle mit allen Verpflichtungen zu binden. Und für Kanzleien ist gerade der Punkt, dass du noch weniger verdienst als zugelassene AnwältInnen der Punkt in der Kalkulation, der eine vertiefte Recherche erst möglich macht.

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Freundliche Aufnahme und schnelle Vernetzung

Ein Aspekt, der den Einstieg in diesen neuen Berufsabschnitt erleichtert, ist die Aufnahme in ein freundliches Team. Im Gegensatz zu ehemaligen KommilitonInnen am Lehrstuhl kennt man regelmäßig niemanden in der Kanzlei vorher. In vielen Boutiquen ist die Atmosphäre kollegial, PartnerInnen und Associates binden neue wissenschaftliche MitarbeiterInnen aus den obigen Gründen schnell ein. Schon nach den ersten Tagen fühlt man sich bestenfalls oft nicht wie ein „Externer“, sondern als Teil des Teams. Dies dürfte auch nur im Interesse der Kanzlei sein, denn schließlich will man dich bei entsprechender Qualität der Arbeit längerfristig halten. Zu einem gelungenen Einstieg gehört für mich auch ein Einstandskuchen (also ein Kuchen fürs Team, gebacken von dem/der neue/n Angestellte/n), wobei mir gespiegelt wurde, dass diese Tradition gar nicht mehr so selbstverständlich ist. Bei den ersten Gesprächen bei einem guten Stück Kuchen gewinnt man aber einen guten Eindruck von dem Team, für das man sich für die Zukunft entschieden hat. Denn ein kollegiales Umfeld ist essentiell für das langfristige Wohlbefinden an einem Arbeitsplatz, an dem man den Großteil seines Alltages verbringt und den auch kein Geld der Welt aufwiegen kann.

Warum es sich trotzdem lohnt

Auch wenn der Titel „Wissenschaftlicher Mitarbeiter“ weniger prestigeträchtig wirkt als „Associate“, bietet die Rolle echte Vorteile. Zum einen verdienst du oft immer noch besser als viele Gleichaltrige mit Berufsausbildung – ein Fakt, den man im Alltag leicht vergisst. Zum anderen verschaffst du dir früh wertvolle Kontakte und Fachkenntnisse in spannenden Rechtsgebieten, kannst bestenfalls sogar deine Vita mit ersten Fachartikeln schmücken ohne noch eine nur zeitlich befristete Stelle an der Uni zu haben. Ein weiterer Grund ist ganz banal: Zwischen Klausuren, mündlicher Prüfung und der Bekanntgabe der Noten im Examen klafft ein Loch. Wer in dieser Zeit eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter annimmt, kann nicht nur Geld verdienen, sondern auch eine langfristige Perspektive schaffen und die ungewisse Zeit etwas abfedern. Viele Kanzleien bieten wissenschaftlichen Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten, oft 16 bis 24 Stunden pro Woche. Das erlaubt es, parallel eine Dissertation oder andere berufliche Projekte zu verfolgen – oder einfach durchzuatmen, bevor man sich in den nächsten Karriereschritt stürzt oder auch wenn eigentlich (noch) das Referendariat den Fokus des Lebens bestimmt.

Fazit

Die ersten Tage als wissenschaftlicher Mitarbeiter sind intensiv: spannende Infrastrukturprojekte, wissenschaftliche Arbeit am Puls der Zeit, aber auch hohe Arbeitsbelastung und Verantwortung. Entscheidend ist, dass du diese Position bewusst wählst – als Einstieg in die Praxis, als Möglichkeit zur Publikation, als Chance zur Vernetzung. Zwischen Fußnoten, Fristen und Teamabenden wird schnell klar: Auch ohne Anwaltszulassung kannst du in dieser Rolle mitten im juristischen Geschehen stehen – und Erfahrungen sammeln, die den weiteren Berufsweg prägen.

Was mich interessieren würde: Wie steht ihr zu Einstandskuchen? Schöne Tradition oder ist euch der Abend am Ofen für noch Unbekannte zu viel Stress?

Plädoyers, Pastéis und Perspektiven – Mein Eindruck beim Young European Lawyers Contest 2025 in Lissabon



In den letzten Zügen meines Referendariats durfte ich Teil eines ganz besonderen juristischen Wettbewerbs sein: dem Young European Lawyers Contest (YELC). Ziel des Wettbewerbs ist es, junge Jurist:innen aus ganz Europa zusammenzubringen – nicht nur im Wettbewerb um das beste Plädoyer, sondern auch im gemeinsamen Austausch über Recht, Sprache und europäische Werte. Mein persönliches Highlight: das Halbfinale in Lissabon. Dort traf nicht nur Recht auf Rhetorik, sondern auch Architektur in schmalen Gassen auf Sonne – und Pastéis de Nata.

Was ist der YELC und wie kommt man dahin?

Der Young European Lawyers Contest wird von der Academy of European Law (ERA) ausgerichtet, welche in Trier ansässig ist, und von der EU unterstützt wird. Der Wettbewerb richtet sich – aufgrund der Differenzen der nationalen juristischen Ausbildungen – an Referendare, Legal Trainees und ggf. frisch zugelassene Rechtsanwälte. Die EU fördert den Wettbewerb finanziell, mit dem Gedanken ein besseres Verständnis zwischen den jeweiligen Rechtskulturen des Binnenmarktes zu etablieren und grenzüberschreitendes juristisches Arbeiten zu verbessern. 

Mangels eines Erasmussemesters im Studium hätte ich eigentlich gern meine Wahlstation im Ausland verbracht, was aus diversen Gründen leider nicht zustande kam. So flatterte im Blues der Examensvorbereitung im Januar eine Mail des OLG mit der weitergeleiteten Ausschreibung des YELC in mein Mailpostfach. Die Chance, mit einem Reisekostenzuschuss von etwa 500 € noch mal international juristisch tätig zu werden konnte ich mir nicht entgehen lassen. Also schickte ich meine notwendigen Bewerbungsunterlagen an ERA und konzentrierte mich dann wieder auf das Examen. 

Die Wettbewerbserfahrung:
Das Besondere am YELC (verglichen zu den meisten Mootcourts) ist der gesamte Aufbau: Als Teil eines internationalen Teams bereitet man gemeinsam einen fiktiven Fall vor, argumentiert vor einer Jury aus erfahrenenmultinationalen Jurist:innen und muss dabei nicht nur juristisch präzise, sondern auch (fremd-)sprachlich souverän und strategisch agieren. 

Im März, also nach dem schriftlichen Teil meines Examens, kam dann die Teilnahmezusage zusammen mit der Zuweisung meiner Teammitglieder. Außer mir fanden sich in diesem jeweils eine irische, eine rumänische und französische Juristin. Nachdem wir uns in dieser Konstellation kurz digital kennengelernt hatten, musste wir uns für einen von drei möglichen Fällen entscheiden. In diesem Jahr standen Themen aus dem IPR, dem Datenschutzrecht und dem Digital Services Act in Verbindung mit der Beeinflussung von Wahlkämpfen zur Auswahl. Wir entschieden uns aufgrund der Argumentationsmöglichkeiten und Aktualität des Themas für das letzte davon.  

Bis Mitte Mai war nun unsere Aufgabe, eine 20-seitige Ausarbeitung zu den Fallfragen zu erstellen. Neben dem Arbeitspensum der juristischen Ausbildung stellte hier eine besondere Schwierigkeit dar, Telefonate mit zwei Stunden Zeitverschiebung zwischen Bukarest und Dublin zu organisieren. Die fachliche Herausforderung: Ein Fall mit politischen Implikationen und europarechtlicher Tiefe in einer uns bisher unbekannten Verordnung, die nicht nur rechtlich anspruchsvoll war, sondern auch viel Fingerspitzengefühl aufgrund der Grenzen zulässigen Wahlkampfes in sozialen Netzwerken erforderte. Besonders spannend war die interkulturelle Teamarbeit – was für die eine Jurisdiktion selbstverständlich ist, ist in einer anderen möglicherweisevöllig anders geregelt. Genau das macht den Reiz des Wettbewerbs aus.

Der krönende Abschluss war dann Ende Juni den Fall gegenüber der Jury und anderen Teams in der altehrwürdigen portugiesischen Anwaltskammer zu präsentieren. Auch wenn wir leider nicht gewonnen haben, war der argumentative Austausch mit den anderen Teams aus diversen europäischen Staaten eine einmalige Erfahrung. 

Anekdote aus Lissabon:

Neben juristischen Eindrücken bleibt mir besonders in Erinnerung: Nach einem intensiven Tag voller Fallanalysen und Sprachfeinschliff mit meinem Team am Strand im Küstenvorort Cascais zu sitzen und bei über 30 Grad Sangria zu trinken. Als international interessierter Jurist ist es vermutlich eine seltene Gelegenheit, in entspannter Atmosphäre mit Blick auf den Tejo über die juristische Ausbildung und die Lage des Rechtsstaats in Rumänien zu diskutieren. Auch war es schön zu hören, dass wir trotz aller Härten des Referendariats international um die planmäßige und wirtschaftlich abgesicherte Ausbildung durchaus beneidet werden. 

Fazit:
Der Young European Lawyers Contest war für mich eine Erfahrung, die juristisches Wissen mit europäischem Geist verbindet. Wer Lust auf Recht, Sprache, Europa und Austausch hat – und vielleicht auch ein Faible die Gassen europäischer Metropolen und das lokale Nachtleben mit gleichgesinnten Jurist:innen zu entdecken – sollte sich unbedingt bewerben. Denn wer weiß, wann einen das deutsche Recht so schnell wieder über die Landesgrenzen führt? 

Bewerbungsgespräch für Juristen: So überzeugst du mit Haltung und im Anzug

Du bist (bald) Jurist:in, das Examen geschafft oder bist im Referendariat und jetzt steht nach einigen Bewerbungen das Gespräch mit Kanzlei, Unternehmen oder Behörde an? Keine Panik, mit der richtigen Vorbereitung wird aus dem Vorstellungsgespräch ein echter Türöffner. Hier kommen praktische Tipps rund um Kleidung, Vorbereitung, Verhandlung und wie du erkennst, ob es gut läuft.

1. Der Modus – Büro oder Videocall?

Vorab: Gerade bei Bewerbungen außerhalb deines aktuellen Wohnortes und wenn es sich nur um eine Station und keine Festanstellung handelt, ist es seit Corona nicht ungewöhnlich Bewerbungsgespräche ausschließlich digital abzuhalten. Das ist kein Werturteil, sondern der moderne und effiziente Weg wie auch mit den meisten Mandanten kommuniziert wird. Inhaltlich unterscheiden sich die Modi nicht wirklich, achte bloß bei digitalen Formaten auf ein neutrales und ruhiges Umfeld mit stabilem Internet und ggf. einem Mikrofon. Eine Bücherwand in deinem aktuellen Büro im Hintergrund kann auf jeden Fall ein lustiger Aufhänger für das Gespräch sein, da solche in aller Regel ein Kennzeichen von traditionelleren Anwälten und Professorinnen und bei Berufsanfängern eher unüblich sind.

Ein kleiner Hinweis bei außerörtlichen Präsenzgesprächen: Soweit in der Einladung nicht explizit ausgeschlossen, stellt die Einladung zum Bewerbungsgespräch am Ort des Arbeitgebers ein Auftragsverhältnis nach §§ 662, 670 BGB dar, sodass du Anspruch auf Ersatz deiner notwendigen Reisekosten hast (BAG NJW 1989, 1694).

2. Kleidung: Zwischen Understatement und Professionalität

Ja, der erste Eindruck zählt – auch (oder gerade) im juristischen Umfeld. Ein gepflegtes, seriöses Outfit ist daher Pflicht.

Für Männer: Dunkler Anzug (Blau, Grau, Schwarz), Hemd (weiß oder hellblau), Krawatte optional – konservativ ist okay, aber ein bisschen Stil darf ruhig durchblitzen, ihr wollt ja schließlich in Erinnerung bleiben. Schuhe geputzt, bitte.

Für Frauen: Hosenanzug oder Blazer mit Rock/Kleid, gedeckte Farben, wenig Schmuck, keine allzu hohen Absätze.

Wichtig ist generell, dass du dich wohlfühlst – nichts ist unangenehmer als ein Gespräch, bei dem du ständig an deinem Outfit zupfst oder dich verkleidet fühlst. Gerade im Ref solltest du mit deinem üblichen Businessoutfit aber ohnehin bereits vertraut sein.

Tipp: In Großkanzleien darf es tendenziell formeller sein, bei Start-ups oder NGO-artigen Arbeitgebern (und erfahrungsgemäß auch bei vielen Strafverteidigern) kann es auch etwas lockerer zugehen. Check vorab den Internetauftritt – da bekommst du ein gutes Gespür für den Dresscode.

3. Vorbereitung ist mehr als nur das Jura-Repetitorium

Ein Bewerbungsgespräch ist keine mündliche Prüfung – also entspann dich. Aber: Wer vorbereitet ist, punktet. Hier ein paar Fragen, die du vorher für dich klären solltest:

  • Was macht die Kanzlei/das Unternehmen genau? (Achtung: Nicht jede „Boutique“ ist automatisch schick)
  • Welche Rechtsgebiete oder Arbeitsgruppen interessieren dich dort?
  • Wer sind deine Gesprächspartner:innen? (LinkedIn/Xing/Unternehmenswebsite können helfen)
  • Welche Station möchtest du machen (Wahlstation, Anwaltsstation)? Warum gerade dort?

Und dann: Überlege dir deine eigene Geschichte. Warum gerade Jura? Warum jetzt diese Kanzlei? Was bringst du mit – auch abseits von Noten? Persönlichkeit zählt! Halte also gern vergangene Berufserfahrungen, Uniworkshops oder Ehrenämter mit Bezug zur angestrebten Tätigkeit parat, ohne zu dick aufzutragen. Deine Arbeitgeber erwarten keine voll ausgebildeten Profis, also versuche nicht so zu wirken, denn das bist du als Berufseinsteiger nicht. Wenn du aber an jüngeren Urteilen dein besonderes Interesse festmachen kannst, ist das immer ein guter Einwurf für den „Smalltalk“ des Bewerbungsgesprächs.

Üblicherweise wird auch dir Raum für Fragen an den Arbeitgeber gegeben. Überlege dir hier gern fragen wie: Warum haben Sie sich für das konkrete Rechtsgebiet entschieden? Schätzen Sie eher den Diskurs vor Gericht oder die Schriftsatzarbeit? Wie steht Ihre Kanzlei zu publizistischer Tätigkeit?

So zeigst du ernsthaftes Interesse und kannst für dich persönlich relevante zwischenmenschliche Faktoren abklopfen.

4. Vergütung & Tauchzeiten: Sprich es an – aber richtig

Gerade als Referendar:in willst du wissen, wie es mit Bezahlung und Arbeitszeiten aussieht. Hier ein paar Faustregeln:

Vergütung: In Großkanzleien kannst du als Referendar:in oder WissMit mit 700–1000 Euro pro Wochenarbeitstag rechnen. Ja, richtig gelesen – das ist viel, aber es wird auch viel erwartet. Bei kleineren Kanzleien ist eine Vergütung eher Verhandlungssache. Hier hilft es oft, wenn diese deine Arbeitsweise aus der Vergangenheit bereits kennen. Wenn du hier auf eine Vergütung pochst, solltest du dir aber auch bewusst sein, dass dies zulasten deiner Lernzeiten geht, da du der Kanzlei in diesem Fall auch einen konkreten Mehrwert – dass heißt konkrete Mandatsarbeit von guter Qualität- schuldest. Wenn du aber ohnehin hoffst, regelmäßig vor dem Amtsgericht aufzutreten oder am Tag drei kurze Schriftsätze zu schreiben, mache das gern deutlich, damit der Arbeitgeber weiß wie er mit dir planen kann.

Bei Behörden oder weniger gewinnorientierten Ausbildern ist eine Vergütung nicht üblich beziehungsweise vorgesehen. Eine solche als Referendar:in zu fordern wirkt eher unprofessionell. Bei Festanstellungen sind Behörden aufgrund der Eingruppierungen ebenfalls keine Spielräume für Gehälter eröffnet. Aber auch in der freien Wirtschaft solltest du dich jedenfalls nicht unter die entsprechende E13-Vergütung deines Landes verhandeln lassen. Diese steht euch als Absolvent:innen des ersten Examens als Masteräquivalent im öffentlichen Dienst zu, jedenfalls aber mit dem zweiten Examen. Entsprechende Stellen an der Uni oder in der Stadtverwaltung sind bei etwas örtlicher Flexibilität nicht gerade rar und sollten von privaten Arbeitgebern eher nicht unterlaufen werden, wenn Sie nicht mit anderweitigen Vorzügen aufwarten können.

Tauchzeiten: Anknüpfend an die Gehaltsverhandlungen für Referendar:innen folgt das Thema der Tauchzeiten. Insbesondere in der Anwaltsstation ist es vor dem Examen üblich (wenn auch nicht überall gestattet) nur zu lernen und nicht mehr am Ausbildungsort zu erscheinen. Da ihr in dieser Zeit nicht arbeitet, könnt ihr realistisch auch keine Vergütung erwarten. Sollte in eurem Land die Zusatzvergütung der Ausbildungsstelle über das OLG gezahlt werden und tauchen nicht gestattet sein, empfiehlt es sich mit der Kanzlei die Vergütung der übrigen Monate anteilig auf die Tauchzeit anzupassen. So sieht das OLG ggf. nicht an ausbleibenden Zahlungen, dass ihr eurer Ausbildungsstelle fernbleibt. Zudem kann die Tauchzeit mit den Gehaltsverhandlungen gekoppelt werden. Wenn die Kanzlei euch beispielsweise 3 Monate Tauchzeit anbietet, euch aber Geld wichtiger ist, könnt Ihr gut eine Verkürzung auf zwei Monate bei höherer Vergütung fordern. Ihr steht in dem Fall der Kanzlei immerhin bereits gut eingearbeitet und auf dem Gipfel eures Examenswissens weiterhin zur Verfügung. Diese Gleichung funktioniert ebenso in die andere Richtung.

5. Mehrere Angebote? So triffst du die richtige Wahl

Wenn du mehrere Zusagen hast – Glückwunsch! Aber wie entscheidest du dich? Dies ist letztlich eine höchstpersönliche Entscheidung. Hier aber ein paar Kriterien:

  • Inhaltliche Ausrichtung: Passt das Rechtsgebiet zu dir? Einige Kanzleien können deine fachlichen Wünsche vielleicht nicht ganz bedienen. Grundsätzlich ist es aber hilfreich, im Ref fachlich offen zu bleiben, solange dies dich nicht vom roten Faden deines Karrierewegs abbringt.
  • Team und Atmosphäre: Wie war dein Eindruck im Gespräch? Wirkte das Team offen, interessiert, gestresst?
  • Work-Life-Balance: Wirst du eher ins Getriebe geworfen oder gibt es klare Ansprechpartner:innen und geregelte Abläufe? Wenn du hier unsicher bist, Frage auch im Nachgang gern noch mal, ob es möglich wäre mit einem Associate über die Wahrnehmungen zum Arbeitsalltag zu sprechen, da diese oft eine andere Perspektive als die Chefs haben.
  • Weiterentwicklung: Gibt’s Einblicke in andere Bereiche, Mandant:innenkontakt, Seminare?

Und ganz ehrlich: Manchmal zählt auch einfach das Bauchgefühl. Wenn du beim einen Laden mit einem Lächeln rausgehst und beim anderen mit Kopfschmerzen spricht das Bände. Geld und Prestige sind nichts, was dich bei Frustration im Übrigen nach einem halben Jahr noch gern zur Arbeit gehen lässt.

6. Woran du merkst, dass das Gespräch gut läuft

Manchmal verlässt man ein Gespräch und denkt: „Keine Ahnung, wie das war.“ Hier ein paar positive Zeichen:

  • Offene Körpersprache deines Gegenübers: Lächeln, Kopfnicken, Augenkontakt.
  • Gespräch auf Augenhöhe: Wenn du nicht nur abgefragt, sondern wirklich ausgefragt wirst. Wenn dein Lebenslauf jenseits der Examensnote gelesen wurde, spricht das für echtes Interesse an deiner Person.
  • Echte Rückfragen: Wenn sie sich konkret auf deinen Lebenslauf oder deine Erfahrungen beziehen.
  • Profilierung der Gesprächspartner: Wenn dein Gegenüber dir neben Fragen und harten Fakten auch persönliche Anekdoten zur Arbeit mitteilt und nuancierte Einschätzungen abgibt, ist das auf jeden Fall ein Ausdruck des Vertrauens in dich.

Wenn du hingegen nur über Noten, Arbeitszeiten und Pflichtarbeitsstunden sprichst, ohne dass echtes Interesse an dir als Person durchkommt – dann sei vorsichtig. Kultur ist langfristig (fast) alles.

Zu guter Letzt:

Du bist mehr als dein Schwerpunkt und deine Punktzahl. Zeig dich als reflektierte, interessierte Persönlichkeit, die weiß, wo sie hinwill. Ein gutes Bewerbungsgespräch ist keine Prüfung – sondern der Beginn eines beruflichen Matches. Also: rein in den Anzug oder Blazer, aufrecht hinsetzen und mit Klarheit und Charme überzeugen.

Bewerbung im juristischen Bereich: 7 Tipps für deinen erfolgreichen Einstieg

Du willst dich für ein juristisches Praktikum, eine Referendariatsstation oder einen Job bewerben? Keine Panik! In diesem Beitrag zeige ich dir, worauf du achten solltest, wenn du deine Bewerbungsunterlagen erstellst – und wie du positiv aus der Masse hervorstichst.

Zunächst die Grundlagen: Natürlich benötigt deine Bewerbung die üblichen Formalia wie Kontaktzeile, Bewerbungsfoto und Layout. In den letzten Jahren ist mit der KI zudem der Aspekt der Maschinenlesbarkeit von Lebensläufen dazugekommen. Da der juristische Markt kein Massengeschäft ist, würde ich die Relevanz hier nicht überbewerten, da vermutlich immer noch Menschen die Bewerbungen sichten. Um zu testen, ob eine Software deine Daten richtig erfasst, hilft Google mit kostenlosen Websites.

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1. Verstehe, was die Stelle verlangt – und was du bieten kannst

Bevor du überhaupt anfängst zu schreiben, solltest du die Stellenanzeige gründlich analysieren. Achte auf Schlüsselbegriffe: Geht es eher um wirtschaftsrechtliche Beratung, um öffentlich-rechtliche Fragestellungen oder um Prozessführung? Versetze dich in den Arbeitgeber hinein: Welche Qualifikationen und Eigenschaften sind hier wirklich wichtig? Und mindestens ebenso wichtig, zumindest wenn es nicht nur ein großer Name für das erste Praktikum sein soll: Wo möchtest du selbst später hin? Was erhoffst du dir von der Stelle, und glaubst du dort langfristig mit Leidenschaft arbeiten zu können?

Notiere dir diese Anforderungen und überlege, wie du sie mit deinen bisherigen Stationen, Interessen und Fähigkeiten abdeckst. So stellst du sicher, dass du in deinem Anschreiben auf das eingehst, was wirklich zählt.

2. Das Anschreiben: Persönlich, klar und konkret

Das juristische Anschreiben sollte nicht aus Floskeln bestehen – es ist kein Ort für Allgemeinplätze wie „Schon früh habe ich mich für das Recht interessiert“. Das soll aber nicht heißen, dass alles „glattgeschliffen“ sein muss. Wenn du an einem konkreten Ereignis dein Interesse für das Feld des potenziellen Arbeitgebers darlegen kannst, verdeutlicht das deine Motivation und macht deine Bewerbung einzigartig. Es geht es darum, kurz und überzeugend zu erklären:

  • Warum bewirbst du dich gerade bei diesem Arbeitgeber?
  • Was bringst du konkret mit, was für diese Stelle relevant ist?
  • Wie kannst du einen Beitrag zum Team leisten?

Zeige, dass du dich mit der Kanzlei oder Institution beschäftigt hast. Nenne Praxisgruppen, spannende Mandate oder die Unternehmenskultur. Wichtig: kein Copy & Paste! Jedes Anschreiben sollte individuell auf die Stelle zugeschnitten sein.

Und mein persönlicher Tipp: Scheue dich nicht, persönliche Kontakte zum Unternehmen/der Behörde zu benennen. Auch wenn du diese nur mal vor zwei Jahren auf einer Messe o.Ä. getroffen hast (und Sie sich wahrscheinlich nicht mehr an dich erinnern werden): Damit zeigst du, dass du dich ernsthaft mit dem Arbeitgeber auseinandergesetzt hast. Und kein/e PersonalerIn wird vermutlich deine Bewerbung direkt in den Müll wandern lassen, wenn man damit potenziell eine/n andere/n MitarbeiterIn verstimmen könnte. Du kannst hier nichts verlieren.

3. Der Lebenslauf: Klar strukturiert und juristisch relevant

Dein Lebenslauf ist dein Aushängeschild – gerade im juristischen Bereich wird er oft zuerst gelesen. Achte deshalb auf:

  • Klaren Aufbau: Antichronologisch (jüngste Station zuoberst), mit präzisen Zeitangaben.
  • Juristische Relevanz: Betone Praktika, Stationen und Schwerpunkte, die juristisch relevant sind. Deine Aushilfsstelle im Einzelhandel ist höchstens bei deinen ersten Praktika noch für Softskills von Interesse.
  • Noten: In der Juristerei spielt die Examensnote (leider) eine große Rolle. Verstecke sie nicht, sondern gehe offen damit um – wenn du sie durch andere Leistungen „ausgleichen“ kannst, zeige das im Anschreiben.

Wenn du Auslandserfahrung, Moot Courts, wissenschaftliche Arbeiten oder relevante Nebenjobs vorweisen kannst: unbedingt erwähnen. Sie zeigen Initiative, Sprachkenntnisse und Engagement – gerade Soft Skills sind im Berufsalltag oft entscheidender als die reine Punktzahl.

4. Zeugnisse und Anlagen: Qualität vor Quantität

Füge nur solche Anlagen bei, die einen tatsächlichen Mehrwert bieten. Das bedeutet in der Regel:

  • Examenszeugnisse
  • Praktikumsnachweise
  • Sprachzertifikate (wenn vorhanden und mehr als der verpflichtende Fremdsprachenschein)
  • Arbeitszeugnisse früherer Arbeitgeber (hier ggf. die besten/relevantesten auswählen, da die letzten fünf Referendariatsstationen etwas erschlagend wirken könnten)

Studienbescheinigungen, Schulzeugnisse oder Urkunden über die Teilnahme an irgendwelchen Seminaren brauchst du nur, wenn sie wirklich relevant sind. Ordnung und Übersichtlichkeit der Anlagen sagen ebenfalls viel über dich aus – achte auf ein durchdachtes PDF-Dokument oder eine Mappe ohne Durcheinander. Hier gibt es gute Gratistools, aus denen du eine einheitliche PDF-Datei bauen kannst. Leider haben immer mehr Arbeitgeber standardisierte Masken in Ihren Bewerbungsportalen, die teilweise Einzeldokumente voraussetzen. Ob du die Datei hier besser wieder „aufteilst“ oder frech ein einzelnes Dokument unter dem oft obligatorischen Lebenslauffeld einfügst, kann ich nicht mit Sicherheit beurteilen. Wenn aber explizit kein Anschreiben gefordert ist, schicke bitte auch keins.

5. Der Lebenslauf ist dein Spiegel – mach ihn nicht kleiner, als du bist

Viele Jurastudierende neigen dazu, sich unter Wert zu verkaufen (Stichwort Imposter-Syndrom) – gerade wenn die Examensnoten nicht herausragend sind. Aber: Arbeitgeber suchen nicht nur nach Zahlen. Teamfähigkeit, Engagement, Interesse am Fach und Praxiserfahrung können ebenso überzeugen.

Statt dich kleinzureden, solltest du ehrlich und selbstbewusst deine Stärken präsentieren. Hattest du ein Auslandssemester, ein Ehrenamt oder hast neben dem Studium gearbeitet? Das zählt, vor allem in der Praxis. Stelle deshalb mit den kurzen Kommentaren zu deinen Tätigkeiten stichwortartig relevante Fähigkeiten heraus, die für die Stelle hilfreich sind (Prozessführung, Akquise, Öffentlichkeitsarbeit etc.). Hier gilt: Weniger Konjunktiv, mehr selbstbewusste Aussage.

6. Formalia: Sauberkeit, Rechtschreibung, Layout

Es klingt banal, ist aber entscheidend: Fehlerfreie Bewerbungen sind ein Muss, gerade im juristischen Bereich. Achte darauf, dass…

  • dein Anschreiben maximal eine Seite umfasst,
  • keine Rechtschreibfehler enthalten sind,
  • die Formatierung einheitlich ist (Schriftart, Zeilenabstand, Rand),
  • dein Lebenslauf nicht überfrachtet, aber vollständig ist.

Lass unbedingt jemanden Korrektur lesen. Fehler im Anschreiben wirken unkonzentriert – das will kein Arbeitgeber. Passe besonders auf, wenn du mehrere Bewerbungen parallel verschickst und im Anschreiben jeweils Textbausteine aus der vorherigen verwendest. Hier entsteht schnell ein inhaltliches und grammatisches Kauderwelsch, das bei organischen Texten oder durch eine Drittkorrektur vermieden werden kann.

7. Nachforschen – aber mit Fingerspitzengefühl

Wenn du nach zwei bis drei Wochen keine Rückmeldung erhalten hast, ist eine kurze Nachfrage per E-Mail in Ordnung – höflich und professionell formuliert, ohne den Unterton des Vorwurfs. Das zeigt Interesse und Initiative. Aber: Bleibe respektvoll, kein Arbeitgeber schuldet dir eine sofortige Antwort. Wenn es nicht klappt, hake es ab und nutze das Feedback (wenn du welches bekommst), um dich weiter zu verbessern. Erfahrungsgemäß haben gerade Behörden aufgrund der notwendigen Beteiligungen nicht das dynamischste Einstellungsverfahren.

Fazit: Deine Bewerbung als juristisches Aushängeschild

Die Bewerbung ist dein erster Eindruck – und gerade bei Jura zählen Präzision, Struktur und Substanz. Wenn du deine Unterlagen gezielt auf die Stelle zuschneidest, deine Stärken klar präsentierst und die formalen Anforderungen beachtest, hast du gute Chancen, zu einem Gespräch eingeladen zu werden. Trau dich, authentisch zu sein – und vor allem: Fang frühzeitig an. Denn eine gute Bewerbung braucht Zeit und schreibt sich nicht nach einem Acht-Stunden-Tag oder der Probeklausur.

Ein Gastreferendariat in Sachsen – lohnt sich das?

Unser Blogger Robert hat einen mutigen Schritt gewagt – und im Rahmen eines Gastreferendariats das Bundesland gewechselt. Ihn verschlug es von Mecklenburg-Vorpommern nach Sachsen. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen der beiden Bundesländer im Vergleich.

Länderwechsel außerhalb der Wahlstation?

In den meisten Bundesländern ist es üblich, mit Ausnahme eines „Speyersemesters“ die Stationen (außer der Wahlstation am Ende) des Referendariats im jeweiligen Ausbildungsbezirk zu absolvieren.

Mecklenburg-Vorpommern, mein Ausbildungsland, ist hier flexibler. In einer Verwaltungsvorschrift wird ausdrücklich festgehalten, dass bis zu 12 Monate des Referendariats auswärts verbracht werden dürfen, wobei auch diese Option praktisch auf die Anwalts- und die Wahlstation beschränkt ist. Als weitere Restriktion kommt hinzu, dass im Aufnahmebundesland die Möglichkeit zur Teilnahme an den Arbeitsgemeinschaften gegeben sein muss. Anderenfalls besteht weiterhin eine Pflicht, wöchentlich in der AG der Stammdienststelle in M-V zu erscheinen. Dies stellt insbesondere für Hamburg eine Hürde da, was trotz der geographischen Nähe leider keine Gastreferendar*innen zur Ausbildung zulässt.

Böse Zungen mögen behaupten, Hintergrund dieses Privilegs sei das Bedürfnis einiger Referendar*innen in Großkanzleien zu arbeiten und der Mangel ebensolcher in unserem schönen Küstenbundesland. Jedenfalls war dies für mich ein Grund, eine spezialisierte öffentlich-rechtliche Ausbildung in Dresden zu suchen.

Das Organisatorische – leichter als gedacht?

Das notwendige Verwaltungsverfahren war erstaunlich unkompliziert. Nachdem ich eine Zusage einer Dresdner Kanzlei für die Station hatte, schrieb ich das OLG Dresden an, wie die Möglichkeit einer gastweisen Teilnahme an der örtlichen AG wäre. Die Details wurden in einem Telefonat geklärt, der Rest erfolgte dann nahezu ausschließlich zwischen den beiden OLGen.

Einziges Problem: Der Föderalismus. Sachsens Einstellungstermine ins Referendariat sind denen in M-V genau um einen Monat voraus. Deshalb befand ich mich zum Zeitpunkt des sächsischen Einführungslehrgangs in die anwaltliche Tätigkeit noch bei der Staatsanwaltschaft Stralsund. Um keinen kompletten Kaltstart hinzulegen, besuchte ich deshalb noch den Einführungslehrgang in Rostock, bevor ich meinen Dienst in Sachsen antrat.

Der erste Eindruck

Nachdem ich meine Kanzlei zum ersten Mal vor Ort kennengelernt hatte, stand ich in meiner zweiten Woche zum ersten Mal in der mir zugewiesenen AG am Landgericht Dresden.

Wobei, eigentlich war mein erster Berührungspunkt mit der sächsischen Justiz das flughafenartige Schlangestehen bei der Wachtmeisterei des Landgerichts. Verglichen zu M-V, wo man mit halbwegs seriösem Auftreten unkompliziert in jedes Gericht kommt, erschien mir das Prozedere aus Taschenkontrolle mit Röntgentunnel und Magnetschleuse ziemlich exzessiv (Anmerkung: Hintergrund hierfür ist mutmaßlich der Mord an der Zeugin Marwa El-Sherbini 2009 im Gerichtssaal). Nachdem ich jedoch schließlich im Gebäude und der AG war, stand ich vor letzterer wie der Schüler, der in der achten Klasse neu an die Schule kommt. Es folgten die übliche Vorstellung bei Dozierenden und KollegInnen und ein nahtloser Übergang in die Pflichten eines Referendars.

Die Examensvorbereitung

Das Fehlen einer befreundeten Lerngruppe durch den Ortswechsel stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung in der Examensvorbereitung dar. Hierzu ist anzumerken, dass in Sachsen der Unterrichtsanteil im Referendariat wesentlich höher ist als an der Küste. M-V beschränkt sich für die theoretische Ausbildung weitgehend auf einen mehrtägigen Einführungslehrgang en bloc, gefolgt von einer wöchentlichen etwa 5-stündigen Arbeitsgemeinschaft. Neben drei Pflichtklausuren pro Station besteht hier pro Rechtsgebiet 1–2-mal pro Monat die Möglichkeit, eine Probeklausur auszuformulieren und korrigiert zu besprechen.

In Sachsen findet regelmäßig an 3 Tagen die Woche Unterricht statt. Ein vierter Tag kann wahlweise für eine freiwillige Klausur genutzt werden oder in der Kanzlei mit der Praxis verbracht werden. Ich entschied mich für zweitere Option, auch da bereits in der AG (oft in Heimarbeit) 1-2 Klausuren die Woche gefertigt wurden. Entsprechend blieb auch für eine Teilnahme an den Klausurenkursen in M-V wenig Raum.

Sachsen – mehr Dozierende aber auch größerer Koordinationsaufwand?

Die Menge an Unterricht bringt ein weiteres Problem mit sich: Sachsen schöpft hier anders als M-V aus einem großen Pool an Dozierenden mit jeweiligen fachlichen Stärken. Zwischen diesen findet jedoch kaum bis keine Koordination statt, allein die Geschäftsstelle sorgt meist dafür, dass sich der Unterricht nicht mit anderen Veranstaltungen überlappt. Regelmäßig wurde wegen Krankheit oder beruflichen Verhinderungen Veranstaltungen zeitlich oder innerhalb der Stadt verlegt, was mit einem erheblichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand für die ReferendarInnen verbunden war.

In der Praxis führte dies zum einen oft zu halben Arbeitstagen in der Kanzlei, um das dortige Pensum zu schaffen, zum anderen zu „zerrissenen“ Lerntagen, auch da mir eben die Anschlusslerngruppe an die teils nur zweistündigen AGs fehlte. Inhaltlich muss der Ausbildung allerdings zugutegehalten werden, dass die fachlich spezialisierten Dozierenden oft mit guten Unterlagen aufwarten konnten und auch „lernfaule“ Referendar*innen jedenfalls Grundkenntnisse in allen Gebieten vermittelt bekommen haben.

Allein bei den Klausurbesprechungen verliert man aufgrund der Anzahl an Klausuren und den teilweise fast zwei Monaten bis zur Besprechung schnell den Überblick über den Inhalt der Bearbeitung, die nun besprochen werden soll, was dem Erkenntnisgewinn nur bedingt zuträglich ist. Zudem ist aufgrund der festen Einplanung und der vorrangigen AG-Dienstpflicht eine Teilnahme an allen Besprechungen möglich. Aufgrund der Freiwilligkeit der Klausurenkurse in M-V und den oft etwa 5-stündigen Besprechungen in der Arbeitszeit sind diese nur mit größerem Aufwand und viel Absprache mit der Ausbildungsstelle in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Fazit

Kann ich also empfehlen, innerhalb der Anwaltsstation das Bundesland, spezifisch nach Sachsen zu wechseln? Rückblickend würde ich hier ein klares „Nein“ aussprechen.

Zwar bin ich unglaublich dankbar für die Chance, neue motivierte KollegInnen und damit auch andere Justizstrukturen kennenzulernen. Auch habe ich viele gute Unterlagen und sogar die Chance auf ein doppeltes Probeexamen in zwei AGs mitnehmen können.

Unerwartete Herausforderungen

Allerdings sollte man den psychischen Stress, den ein Umzug (bzw. ein Zusammenziehen), die organisatorische Eingewöhnung in gleich zwei neue Ausbildungsstellen und das Fehlen des bekannten Umfelds bedeuten, wirklich nicht unterschätzen. Euer Fokus sollte, und wird es zumindest unterbewusst auch, auf dem Examen in nicht einmal neun Monaten liegen. Klar war meine Erwartung nicht, hier den Großstadtsommer meines Lebens zu haben. Aber mit KollegInnen, die selbst im Examensstress stecken (Sachsen schreibt zwei Monate früher als M-V) fällt es insgesamt schwer Kontakte zu knüpfen. Dies leider trotz der Bemühung der Geschäftsstelle, Wandertage und Sommerfeste für ReferendarInnen zu organisieren, die aber eher mäßig angenommen wurden.

Routine ist alles

Ohne eure Lernroutinen und bekannten Rückzugsorte, und ohne Unterstützung durch befreundete Lerngruppen, fällt es gerade mit dem sächsischen Unterrichtsmodell wirklich schwer, einen systematischen Lernplan abzuarbeiten. Die ständige Terminkoordination zwischen AG und Arbeitsplatz, verbundenen mit dem ständig wechselnden Konvolut an Unterrichtsinhalten erfordern eine Selbstdisziplin, welche die für das erste Examen notwendige noch einmal übersteigt. Dies gilt insbesondere, da auch der hohe Unterrichtsumfang in Sachsen mit den wirklich attraktiven „Crashkursen“ vor dem Examen keinen Anspruch auch eine umfassende Examensvorbereitung bieten.

Wer also (wie ich) ein flexibleres, eigenverantwortliches Lernen für sich bevorzugt, wird in Sachsen wahrscheinlich nicht glücklich. Wer jedoch ein insgesamt durchaus strukturiertes Lernsystem mit einem guten Maß an Druck und Dienstpflicht braucht, dem sei zumindest ein ganzes Referendariat in Sachsen empfohlen. Gerade der Wechsel ist jedoch eher unhilfreich. Beide Länder unterscheiden sich nicht unerheblich im Landesrecht, aber auch in der justiziellen Arbeitsweise und Klausurkonzeption. Sowohl in M-V, als auch in Sachsen wurde mehrmals ausdrücklich auf die „preußischen“ und „sächsischen“ Eigenheiten hingewiesen, was in einem formalistischen schriftlichen Staatsexamen abträglich ist.  

Post Scriptum

Sollten MitarbeiterInnen der Rostocker oder Dresdener Referendargeschäftsstelle diesen Beitrag lesen: Trotz der Kritik meinen herzlichen Dank für das unbürokratische Möglichmachen dieses „Abenteuers“. Ein solches Gastreferendariat ist offenbar alles andere als selbstverständlich.