Referendariat: Meine erste Verhandlungsleitung in der Zivilstation

Unsere Autorin Stine hat vor kurzem ihr Referendariat begonnen. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen. Zuletzt: Von Ihrer ersten selbst geführten Verhandlung. In dem Beitrag teilt sie außerdem praktische Formulierungshilfen fürs Diktieren – damit auch deine erste Verhandlung ein Erfolg wird.

Vor nicht allzu langer Zeit durfte ich meine erste mündliche Verhandlung am Landgericht leiten. Ein Moment, den wohl jede Referendarin oder jeder Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst mit Spannung erwartet oder fürchtet, je nachdem. 

Die Vorbereitung

Ich gehörte wohl eher zu der zweiten Gruppe. Schon Tage vorher war ich nervös. Ich wollte alles richtig machen. Also habe ich mich bestmöglich vorbereitet. Das Diktiergerät ausgeliehen, die Formulierungen meines betreuenden Richters analysiert und natürlich, um während der Verhandlung nicht nach Worten suchen zu müssen, akribisch aufgeschrieben, was ich sagen wollte.

Ich war überzeugt davon, meine vorgeschriebenen Zeilen exakt so ins Protokoll übernehmen zu können.
Von dieser Überzeugung musste ich allerdings schon nach wenigen Minuten in der Verhandlung Abstand nehmen.

Der Moment der Wahrheit

Die Verhandlungsleitung dauerte am Ende gerade einmal fünfzehn Minuten. Mein Beitrag war auf ein Minimum reduziert und meiner eigentlichen Aufgabe konnte ich gar nicht nachkommen. Weil, wie so oft im juristischen Alltag, alles anders kam als geplant. Eigentlich sollte ich den Kläger informatorisch anhören, doch dieser erschien schlichtweg nicht. Und so war die Verhandlung schneller vorbei, als ich meine Unterlagen sortieren konnte.

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Doch selbst aus dieser kurzen Praxissituation in der Zivilstation konnte ich etwas lernen.

Was ich dir aus meiner ersten Verhandlungsleitung mitgeben möchte

  • Alle um dich herum sind auch nur Menschen

Niemand ist in schallendes Gelächter ausgebrochen, als ich mich einmal versprochen habe oder etwas länger nach den richtigen Worten suchte. Ganz im Gegenteil! Alle Anwesenden konnten meine Situation nachvollziehen. Einige erzählten sogar von ihren eigenen ersten Verhandlungen im Referendariat. Jeder war einmal in dieser Lage und die meisten können sich noch gut genug daran erinnern, um emphatisch zu reagieren.

  • Das Diktiergerät ist Alltag

Meine größte Angst galt tatsächlich dem Diktiergerät in der mündlichen Verhandlung. Die Vorstellung, vor allen Beteiligten zu diktieren, ließ mir den Magen flau werden. Aber für alle anderen ist das völlig normal, so alltäglich wie Schuhe binden. Niemand legt jedes Wort auf die Goldwaage, niemand achtet auf kleine Unsicherheiten und schon gar nicht wird man währenddessen missgünstig begutachtet.

  • Sei auf alles vorbereitet

Eine gute Vorbereitung ist das A und O, gerade wenn man zum ersten Mal eine Verhandlungsleitung im Referendariat übernimmt. Es lohnt sich, verschiedene Szenarien durchzudenken, denn selten läuft alles so, wie man es sich ausgemalt hat. Wenn man innerlich bereit ist, spontan umzudenken, verliert man auch in überraschenden Momenten nicht die Ruhe.

  • Trau dich

Wenn sich dir in der Zivilstation die Möglichkeit bietet, eine mündliche Verhandlung zu leiten, ergreife sie. Die Hemmung ist groß, das Lampenfieber garantiert, aber der Perspektivwechsel ist es absolut wert. Es ist ein ganz besonderes Gefühl, einmal selbst vorne zu sitzen. Außerdem merkt man erst durch das eigene Erleben, dass es nur halb so schlimm und weit weniger spektakulär ist, als man es sich vorgestellt hat. 


Formulierungshilfen

Und um dir den Einstieg etwas zu erleichtern, habe ich ein paar gängige Formulierungen für das Protokoll in der Verhandlungsleitung zusammengestellt, die du an die Situation und die Formulierungen der Richter*innen anpassen kannst.

Ich diktiere das Sitzungsprotokoll der öffentlichen Sitzung des Landgerichts X am 24.05.2027 in dem Rechtsstreit Musterfrau gegen Mustermann., Az: 9 O 800/37.

Die Leitung der mündlichen Verhandlung wurde auf die Rechtsreferendarin Frau X gem. § 10 GVG übertragen und erfolgt unter Aufsicht der Richterin am Landgericht Y.

Bei Aufruf der Sache um … erschienen der Kläger Herr X mit seinem Prozessbevollmächtigten RA Z in Person. Sowie für die Beklagte die Prozessbevollmächtigte RAin A im Wege der Videokonferenz.

Der Kläger erklärt angehört nach § 141 ZPO: Ich….

Auf Nachfrage des Klägervertreters erklärt die Klägerin…

Auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin erklärt die Klägerin…

Eine gütliche Einigung ist nicht möglich.

Der Klägervertreter stellt die Anträge wie im Schriftsatz vom 19.08.2024 Blatt 135 d. Akte.

Die Beklagtenvertreterin beantragt Klageabweisung.

Beschlossen und verkündet.

Ein Termin zur Verkündung wird anberaumt auf den (Datum) um (Uhrzeit) im Raum X.

Die Verhandlung wir um (Uhrzeit) beendet. 

Wenn eine Partei säumig sein sollte, bietet sich folgende Formulierung an:

Nach erneutem Aufruf der Sache um (Uhrzeit) erscheint für den Beklagten noch immer niemand.

Die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten wir festgestellt.

Der Klägervertreter beantragt, Erlass eines Versäumnisurteils. 

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Was ziehe ich an? Ein juristischer Outfitcheck

Dein erster Praktikumstag steht an und mit ihm kommt die Frage – welche Kleidung ist angemessen? Deine mündliche Prüfung steht kurz bevor und du fragst dich, was du tragen solltest? Kein Problem! In diesem Beitrag gibt unsere Autorin Stine dir ein paar Richtlinien an die Hand, wie du rausfindest, ob dein Outfit juratauglich ist – mitsamt ein paar Beispielfotos der Redaktion.

Kaum ein Berufsfeld kämpft mit so vielen Vorurteilen wie das der JuristInnen. Nicht wenige davon beziehen sich auf die Kleidung. Kein Wunder: Der Beruf ist traditionsreich und steckt voller alteingesessener Regeln. Ein Beispiel: Die Richterrobe in ihrer heutigen Form stammt schon aus dem 18. Jahrhundert.

Dazu kommt, dass uns einige KommilitonInnen bereits ab dem ersten Semester im Hörsaal mit Anzügen „beeindrucken“. Da fragt man sich schnell, was ist angemessen um im Praktikum, Referendariat und der mündlichen Prüfung einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Qual der Outfitwahl kenne ich nur zu gut. Wie oft habe ich mir noch in letzter Minute eine Bluse gekauft, weil ich Angst hatte, nicht passend genug angezogen zu sein.

Um euch diese Unsicherheit zu nehmen, haben wir im Team ein paar Inspirationen gesammelt, in denen wir uns passend angezogen fanden. Denn am Ende zählt nicht, wie teuer oder elegant das Outfit ist – sondern, dass ihr euch darin wohlfühlt. Verkleiden hilft auf Dauer nur selten.

Die Tipps sind für alle gedacht, die bald ihre mündliche Prüfung, den ersten Praktikumstag oder den Start ins Referendariat vor sich haben. Im Unialltag müsst ihr hingegen niemanden beeindrucken, da geht’s entspannt zu.

Obenrum – zwischen Blazer und T-Shirt

Abseits von wirklich besonderen Terminen wie der mündlichen Prüfung oder Vorstellungsgesprächen ist die Wahl im Alltag erstaunlich locker. Im Sommer sind auch T-Shirts oder Tops kein Problem – selbst bei Gerichtsterminen, solange sie nicht durch schrille Farben oder wilde Muster auffallen. Mit einem schlichten Blazer oder einer Strickjacke liegt man fast immer richtig. Blusen? Habe ich persönlich nicht als notwendig empfunden.

Untenrum – Hosen, Röcke und Co.

Eine klassische Anzughose ist eine sichere Wahl – muss aber keineswegs schwarz sein. Grau, Blau oder sogar Grün funktionieren genauso gut. Schließlich verschwinden die Beine bei Terminen ohnehin meistens unter dem Tisch. Ein langer Rock ist ebenfalls völlig in Ordnung, nur fehlt mir da die persönliche Erfahrung – ich bin ein absoluter Hosenmensch.

Schuhe – Hauptsache sauber

Loafer sind immer eine gute Idee. Ebenso gediegene Absätze oder schlichte, saubere Sneaker. Wichtig ist weniger die Form als vielmehr, dass die Schuhe gepflegt aussehen.

Fazit: Wohlfühlen schlägt Etikette

„Kleider machen Leute“ – aber zum Glück längst nicht mehr im gleichen Ausmaß wie vor 20 Jahren. Wer einmal RichterInnen außerhalb des Verhandlungssaals beobachtet, wird überrascht sein, wie schlicht und alltagsnah deren Outfits ausfallen. Hosenanzüge sieht man fast nie, auch vollständige Anzüge bei den männlichen Kollegen sind selten.

Fragt die RichterInnen und AusbilderInnen ruhig nach ihren Erwartungen – das kann helfen, die morgendliche Outfit-Qual deutlich zu verringern. Vor meinem ersten AG-Termin habe ich mir auch viele Gedanken über den richtigen Auftritt gemacht. Im Nachhinein kann ich sagen: völlig unnötig. Es gilt: Come as you are. Solange man die grundlegenden Gepflogenheiten respektiert, spielt die Kleidung im juristischen Alltag eine untergeordnete Rolle.