„Schwer vertretbar“? – So verstehst du, was dein Korrektor dir sagen will

Klausurenanmerkungen stellen Studierende häufig vor ein Rätsel. In diesem Beitrag will unsere Autorin Carla, die selbst gelegentlich korrigiert, Licht ins Dunkel bringen. Dabei erklärt sie die häufigsten Anmerkungen und erläutert auch, welche Anmerkungen ihrer Meinung nach gar nicht gehen.

1. Lauter Häkchen – trotzdem durchgefallen?

Wir kennen es alle: Den Klausurenrand zieren ein dutzend Bleistifthäkchen und unter der Klausur steht dennoch, dass sie den Anforderungen nicht genügt. Wie kann das sein, wenn doch augenscheinlich so vieles richtig war?

Wie so häufig, steckt der Teufel leider im Detail. Es gibt viele Prüfungspunkte, die als selbstverständlich vorausgesetzt werden; während einzelne Schwerpunkte und Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen entscheiden.

Hier mal ein Beispiel. Du prüfst einen Mord im Strafrecht und schreibst fehlerfrei den objektiven Tatbestand auf. Hier hagelt es Häkchen. Jetzt prüfst du beim subjektiven Tatbestand jedoch das falsche Mordmerkmal. Du prüfst zB seitenlang niedrige Beweggründe, obwohl der Sachverhalt dich ganz eindeutig zur Habgier geleitet hat.

So kommen diese oft auf ersten Blick unverständlichen Ergebnisse zustande. Häufig liegt genau an den falsche Stellen der Schwerpunkt und der Korrektor kommt in die unangenehme Situation, eine zunächst vielversprechende Klausur schlecht zu bewerten.

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2. „Nicht vertretbar“

Du hast einen Meinungsstreit auf eine eher ungewöhnliche bzw. neue Art entschieden. Eigentlich verdienst du Punkte für Kreativität, allerdings liegt dem Korrektor in der Regel eine recht strenge und stringente Lösungsskizze vor. Der Korrigierende muss nun also abwägen, wie er oder sie deine Entscheidung bewertet. Hier kommt es meiner Meinung nach nicht selten auf die Einstellung des Korrektors an. Ein wohlgesonnener Korrektor erkennt möglicher weise an, dass du einen Streit selbst hergeleitet hast und gibt dir dafür extra Punkte. Ein strenger Korrektor denkt sich “den Streit muss man kennen!” und bewertet daraufhin eher negativ. Gerade bei Hausarbeiten lohnt sich hier eine Remonstration mit besonders guten Quellen und Begründungen, warum deine Ansicht sehr wohl gut vertretbar ist.

3. „Nein!“

Deine Lösung widerspricht der Rechtslage oder du hast etwas total abwegiges geprüft. Das musst du als Studierender leider häufig so hinnehmen – ist uns allen mal passiert. Eine Ausnahme – die einen guter Grund für eine Remonstration darstellt – liegt vor, wenn du mit absoluter Sicherheit begründen kannst, dass deine Lösung von mindestens einer Stimme in der Wissenschaft/Rechtsprechung so belegt wird. Suche diese Quelle heraus und arbeite Sie in deine Remonstration ein.

4. „?“

Ein absoluter Klassiker unter den Kommentaren, aus denen man als Studierender nicht schlau wird. Ich habe das als Studentin einfach so interpretiert, dass der Korrektor sich selbst erinnern wollte, welche Stellen der Klausur er unklar fand. Hier ist ein guter Ansatzpunkt für eine Remonstration, da der Korrektor nicht deutlich aufzeigt, was er oder sie bemängelt. Mit einer schlüssigen Begründung, lassen sich hier ggf. noch Punkte retten.

5. Gemeine Kommentare

Leider kann fast jede Person, die Juraklausuren geschrieben hat davon berichten, schon wenig hilfreiche, unsachliche und in manchen Fällen auch verletzende Kommentare an den Klausurrändern erhalten zu haben.

Hier ein paar Auszüge, die mir zu Ohren gekommen sind:

“Was soll das?”

“Sinn?”

“unbrauchbar!”

“ernsthaft?”

“NEIN!!!!”

“Keine Argumentationsfähigkeit”

“and again, das ist kein Aufsatz!”

Das ist schade. Gerade aus der Examensvorbereitung weiß ich, dass eine schlechte Probeklausur mit hilfreichem und ausführlichem Feedback leichter zu verarbeiten war, als eine mittelmäßige, an der fiese Kommentare standen.

Wichtig ist, auch persönliche Entgleisungen des Korrektors (insbesondere geziert von der aggressiven Nutzung von Frage- oder Ausrufezeichen) nicht persönlich zu nehmen. Diese sagen mehr über die persönliche Verfassung des Korrektors aus, als über dich. Ein guter Korrektor weiß, dass eine schlechte Klausur zum Studium dazugehört und wird deshalb nicht ausfallend. Vielmehr gibt er dir konkretes Feedback, damit es beim nächsten Mal besser läuft.

Es bleibt zu sagen: Mut zur Remonstration

Auch wenn es unangenehm sein kann, sich eine verpatze Klausur oder Hausarbeit noch einmal genau anzusehen und eine Remonstration zu verfassen, kann ich nur dazu ermutigen. Es lohnt sich. Denn wie immer in Jura gilt “zwei Juristen, drei Meinungen”. Auch die beste Lösungsskizze ist nicht in den Stein gemeisselt. Es gibt Korrektoren, die überdurchschnittlich streng bewerten und es lohnt immer, noch eine zweite Meinung einzuholen. Ich kenne einige Beispiele, bei denen Studierende eine gut begründete Remonstration eingereicht haben und das durch einen wahren Notensprung belohnt wurde. Ganz besonders, wenn es um Bestehen oder Nichtbestehen geht, (also der Sprung von 3 auf 4 Punkte) würde ich immer zu einer Remonstration raten.

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Wie du endlich zufriedener mit deinen Noten wirst

Lesezeit: 3 Minuten

Neulich erzählte mir Carla von einer interessanten Analogie, die sie im Buch „Besser fühlen“ vom Psychologen und Autor Leon Windscheid gelesen hatte. Kurz gefasst ging es um ein Experiment mit zwei Affen, denen jedes Mal ein Stück Gurke im Tausch gegen einen Stein gegeben wurde. Keiner der Affen schien mit den Gurken unzufrieden zu sein. Plötzlich jedoch wurde einem der Affen im Gegenzug eine Weintraube gegeben. Der Affe war ganz entzückt darüber, diesmal etwas „Süßes“ bekommen zu haben. Daraufhin tauschte der zweite Affe ebenfalls noch einmal einen Stein ein und bekam wider Erwarten ein Stück Gurke und keine Weintraube. Anstatt wie bisher seelenruhig seine Gurke zu akzeptieren, bekam er einen Tobsuchtsanfall angesichts dieser „Ungerechtigkeit“. 

„Im Laufe der Evolution, so die Vermutung, war es wichtig, die eigenen Anstrengungen und deren Ergebnis mit anderen zu vergleichen. […] Aus dieser Grundhaltung entsteht die Gefahr, dass man im Vergleichen nie wirklich zufrieden endet.“

– Leon Windscheid, „Besser Fühlen“ (2021), S. 217.

Das erste, woran ich dabei sofort denken musste, waren die Noten im Jurastudium. Wie oft ist es mir und anderen aus meinem Umfeld passiert, dass man ein an sich passables oder sogar gutes Ergebnis erhielt, über das man sich sonst gefreut hätte, aber im Vergleich mit anderen wirkte es plötzlich unbedeutend und ungenügend. Erst neulich beobachtete ich im Bekanntenkreis ebendiese Situation: ein Kommilitone erhielt eine extrem gute Note und konnte sich nicht eine Sekunde darüber freuen, weil jemand anderes aus dem Kurs (aus seiner Sicht vermutlich ungerechtfertigt) eine noch bessere Note erhalten hatte.

Gäbe es also den ständigen Vergleich nicht, dem wir uns selbst immer wieder aussetzen, könnte sich vielleicht an der ein oder anderen Stelle sogar so etwas wie Zufriedenheit über die eigene Leistung einstellen (unvorstellbar, nicht wahr?). Man könnte sich über die solide und durchaus leckere Gurke freuen, selbst wenn andere auch mal eine Weintraube erhielten.

Was kann man nun aber tun, wenn KommilitonInnen einem ihre Leistungen dennoch ungefragt auf die Nase binden oder sogar damit prahlen und man die eigene Note sofort als minderwertiger betrachtet? Dann hilft nur eine Art Selbst-Coaching, mit dem ich vor vielen Semestern begonnen habe. 

Der Schlüssel lag für mich darin, den Fokus auf mich zu legen und nicht auf andere. Das bedeutet, dass ich jede meiner Leistungen im Lichte meiner Fähigkeiten und Erwartungen betrachte. 

Wie sieht das konkret aus? Nach einer Klausur oder Hausarbeit schätze ich meist mein Gefühl dazu ein. Eine mögliche Abwägung kann so aussehen: „Ich habe für diese Klausur nicht viel lernen können, weil ich lange Zeit krank war und mein Wissen dadurch nicht ganz gefestigt war. Ich bin auf einige Schwerpunkte rückblickend nicht genügend eingegangen, also gehe ich davon aus, dass es wohl um die fünf Punkte werden.“ Damit habe ich mir also einen realistischen Erwartungshorizont an meine Leistung gesetzt. Wenn ich nun tatsächlich fünf Punkte erhalte und ein Kommilitone neun Punkte, packt mich weder ein Vergleichswahn, noch die Missgunst, weil ich weiß: „Ich habe genau das bekommen, was ich auch investiert habe.“ Diese Taktik geht natürlich nicht auf, wenn ich mich ungerecht bewertet fühle. Wenn ich wochenlang an der Ausformulierung meines perfekt anmutenden Gutachtens saß und ein anderer Kommilitone die Hausarbeit innerhalb weniger Tage verfasst und dennoch besser abschneidet. Wenn ich weiß, dass der Kommilitone ein unschlagbares Auffassungsvermögen, Gedächtnis oder Judiz (oder alle drei) besitzt, dann erkenne ich diese Leistung absolut neidlos an und fühle mich sogar inspiriert davon. Intelligente oder fachlich versierte Menschen sehe ich primär nicht als KonkurrentInnen, sondern möchte gerne etwas von ihnen lernen und mich mit ihnen austauschen. Dabei hilft es mir, meinen Selbstwert nicht von juristischen Leistungen abhängig zu machen. Eine nicht bestandene Klausur lässt mich nicht über Nacht inkompetent werden. So abgedroschen es klingen mag, aber seine Schwächen zu kennen und zu ihnen zu stehen, kann eine unglaubliche Stärke darstellen.

Wir fassen zusammen: 

  • Im ersten Schritt erst gar nicht nach links und rechts gucken, 
  • immer einen angemessenen Erwartungshorizont an sich selbst haben, 
  • erfolgreiche Menschen als Vorbild und nicht als Feindbild sehen, 
  • eigene Stärken und Schwächen realistisch einschätzen, 
  • Jura nicht zum Mittelpunkt seiner selbst machen. 

Dieses Mindset führt dazu, dass ich mich seit langem sowohl über die Gurken, als auch über die Weintrauben auf der juristischen Notenskala freuen kann. So oder so – es ist immerhin ein Snack! 😉

Ich hoffe, dass ich dir mit diesen Gedankenanstößen ein wenig weiterhelfen konnte. Wenn du deine Erfahrungen mit dem Thema mit uns teilen möchtest, erreichst du uns auf Instagram unter @goldwaage.jura.