
In den letzten Zügen meines Referendariats durfte ich Teil eines ganz besonderen juristischen Wettbewerbs sein: dem Young European Lawyers Contest (YELC). Ziel des Wettbewerbs ist es, junge Jurist:innen aus ganz Europa zusammenzubringen – nicht nur im Wettbewerb um das beste Plädoyer, sondern auch im gemeinsamen Austausch über Recht, Sprache und europäische Werte. Mein persönliches Highlight: das Halbfinale in Lissabon. Dort traf nicht nur Recht auf Rhetorik, sondern auch Architektur in schmalen Gassen auf Sonne – und Pastéis de Nata.
Was ist der YELC und wie kommt man dahin?
Der Young European Lawyers Contest wird von der Academy of European Law (ERA) ausgerichtet, welche in Trier ansässig ist, und von der EU unterstützt wird. Der Wettbewerb richtet sich – aufgrund der Differenzen der nationalen juristischen Ausbildungen – an Referendare, Legal Trainees und ggf. frisch zugelassene Rechtsanwälte. Die EU fördert den Wettbewerb finanziell, mit dem Gedanken ein besseres Verständnis zwischen den jeweiligen Rechtskulturen des Binnenmarktes zu etablieren und grenzüberschreitendes juristisches Arbeiten zu verbessern.
Mangels eines Erasmussemesters im Studium hätte ich eigentlich gern meine Wahlstation im Ausland verbracht, was aus diversen Gründen leider nicht zustande kam. So flatterte im Blues der Examensvorbereitung im Januar eine Mail des OLG mit der weitergeleiteten Ausschreibung des YELC in mein Mailpostfach. Die Chance, mit einem Reisekostenzuschuss von etwa 500 € noch mal international juristisch tätig zu werden konnte ich mir nicht entgehen lassen. Also schickte ich meine notwendigen Bewerbungsunterlagen an ERA und konzentrierte mich dann wieder auf das Examen.
Die Wettbewerbserfahrung:
Das Besondere am YELC (verglichen zu den meisten Mootcourts) ist der gesamte Aufbau: Als Teil eines internationalen Teams bereitet man gemeinsam einen fiktiven Fall vor, argumentiert vor einer Jury aus erfahrenenmultinationalen Jurist:innen und muss dabei nicht nur juristisch präzise, sondern auch (fremd-)sprachlich souverän und strategisch agieren.
Im März, also nach dem schriftlichen Teil meines Examens, kam dann die Teilnahmezusage zusammen mit der Zuweisung meiner Teammitglieder. Außer mir fanden sich in diesem jeweils eine irische, eine rumänische und französische Juristin. Nachdem wir uns in dieser Konstellation kurz digital kennengelernt hatten, musste wir uns für einen von drei möglichen Fällen entscheiden. In diesem Jahr standen Themen aus dem IPR, dem Datenschutzrecht und dem Digital Services Act in Verbindung mit der Beeinflussung von Wahlkämpfen zur Auswahl. Wir entschieden uns aufgrund der Argumentationsmöglichkeiten und Aktualität des Themas für das letzte davon.
Bis Mitte Mai war nun unsere Aufgabe, eine 20-seitige Ausarbeitung zu den Fallfragen zu erstellen. Neben dem Arbeitspensum der juristischen Ausbildung stellte hier eine besondere Schwierigkeit dar, Telefonate mit zwei Stunden Zeitverschiebung zwischen Bukarest und Dublin zu organisieren. Die fachliche Herausforderung: Ein Fall mit politischen Implikationen und europarechtlicher Tiefe in einer uns bisher unbekannten Verordnung, die nicht nur rechtlich anspruchsvoll war, sondern auch viel Fingerspitzengefühl aufgrund der Grenzen zulässigen Wahlkampfes in sozialen Netzwerken erforderte. Besonders spannend war die interkulturelle Teamarbeit – was für die eine Jurisdiktion selbstverständlich ist, ist in einer anderen möglicherweisevöllig anders geregelt. Genau das macht den Reiz des Wettbewerbs aus.
Der krönende Abschluss war dann Ende Juni den Fall gegenüber der Jury und anderen Teams in der altehrwürdigen portugiesischen Anwaltskammer zu präsentieren. Auch wenn wir leider nicht gewonnen haben, war der argumentative Austausch mit den anderen Teams aus diversen europäischen Staaten eine einmalige Erfahrung.
Anekdote aus Lissabon:

Neben juristischen Eindrücken bleibt mir besonders in Erinnerung: Nach einem intensiven Tag voller Fallanalysen und Sprachfeinschliff mit meinem Team am Strand im Küstenvorort Cascais zu sitzen und bei über 30 Grad Sangria zu trinken. Als international interessierter Jurist ist es vermutlich eine seltene Gelegenheit, in entspannter Atmosphäre mit Blick auf den Tejo über die juristische Ausbildung und die Lage des Rechtsstaats in Rumänien zu diskutieren. Auch war es schön zu hören, dass wir trotz aller Härten des Referendariats international um die planmäßige und wirtschaftlich abgesicherte Ausbildung durchaus beneidet werden.
Fazit:
Der Young European Lawyers Contest war für mich eine Erfahrung, die juristisches Wissen mit europäischem Geist verbindet. Wer Lust auf Recht, Sprache, Europa und Austausch hat – und vielleicht auch ein Faible die Gassen europäischer Metropolen und das lokale Nachtleben mit gleichgesinnten Jurist:innen zu entdecken – sollte sich unbedingt bewerben. Denn wer weiß, wann einen das deutsche Recht so schnell wieder über die Landesgrenzen führt?



















